"Obamacare" gehört endgültig zu den USA
17. Juni 2021Der Oberste US-Gerichtshof hat eine Klage gegen die als "Obamacare" bekannte Gesundheitsreform des früheren Präsidenten Barack Obama abgewiesen. Der Supreme Court in Washington schmetterte mit einer Mehrheit von sieben zu zwei Richterstimmen den Versuch mehrerer republikanisch regierter Bundesstaaten ab, die Reform für verfassungswidrig und ungültig erklären zu lassen. Die Bundesstaaten seien nicht klageberechtigt, urteilten die Verfassungsrichter. Damit behalten Millionen Menschen ihre Krankenversicherung, die sie dank "Obamacare" erhalten hatten.
"Big fucking deal"
Die Entscheidung des konservativ dominierten Supreme Court ist auch eine nachträgliche Klatsche für Ex-Präsident Donald Trump: Die Regierung des Republikaners hatte sich der Klage gegen die Gesundheitsreform angeschlossen. Trump hatte in seiner Amtszeit vergeblich versucht, die historische Reform seines Vorgängers zum Einsturz zu bringen, die inzwischen rund 31 Millionen Bürgern Zugang zu einer Krankenversicherung ermöglicht hat.
Präsident Joe Biden - wie Obama auch ein Demokrat - reagierte erleichtert auf den Richterspruch und sprach im Kurzbotschaftendienst Twitter von einem "großen Sieg für die amerikanische Bevölkerung". Weil Millionen Menschen auf "Obamacare" angewiesen seien, bleibe die Reform eine "verdammt große Sache" - im englischen Original "BFD" als Abkürzung für "big fucking deal".
"Historische Entscheidung"
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, sprach von einer "historischen Entscheidung" und einem "Sieg" für die Bemühungen ihrer Partei, unter anderem Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen. Die demokratische Senatorin und frühere Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren erklärte, das rechte Lager wolle "Millionen Amerikanern ihre Krankenversicherung entreißen". Obamas Gesundheitsreform sei aber "verfassungskonform" und werde Bestand haben.
In dem Supreme-Court-Verfahren ging es um die Frage, ob die 2010 beschlossene Gesundheitsreform komplett ungültig ist, weil ein zentrales Element de facto rückgängig gemacht wurde. Konkret ging es um die als "individual mandate" bekannte Versicherungspflicht: Die Reform hatte die meisten US-Bürger unter Androhung einer Strafzahlung dazu verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen. Dieses Element war besonders umstritten - und stand 2012 im Zentrum eines ersten Urteils des Supreme Court zu "Obamacare". Der Gerichtshof urteilte damals mit einer knappen Mehrheit, die Gesundheitsreform sei verfassungskonform, weil die Strafzahlung als Steuer verstanden werden könne. Der Kongress, der Steuern erheben darf, habe deswegen nicht seine Befugnisse überschritten.
Trumps Republikaner strichen aber 2017 die Strafzahlung, die bei Nicht-Abschluss einer Versicherung drohte. Mehrere republikanisch regierte Bundesstaaten argumentierten in der Folge, mit dem Auslaufen der Strafzahlung sei die Versicherungspflicht insgesamt verfassungswidrig - und damit die gesamte Reform hinfällig. Ende 2018 schloss sich ein konservativer Bundesrichter im Bundesstaat Texas dieser Auffassung an. Der Fall landete schließlich vor dem Supreme Court.
"Affordable Care Act"
Der "Affordable Care Act", wie "Obamacare" offiziell heißt, ist in den USA einer der großen politischen Streitpunkte. Die meisten US-Amerikaner mit Krankenversicherung sind über ihren Arbeitgeber versichert. Der "Affordable Care Act" ist für Menschen gedacht, die nicht über die Arbeit versichert sind, nicht "arm genug" für Medicaid, die Versicherung für die Ärmsten und nicht alt genug für die staatliche Versicherung für Senioren. Nach Angaben des US-Gesundheitsministeriums von Anfang Juni haben 31 Millionen Menschen Versicherungsschutz durch "Obamacare". Diese bezuschusst geringverdienende Versicherte und verpflichtet Versicherungen zu bestimmten Mindestleistungen. Versicherungsfirmen dürften kranke Menschen nicht diskriminieren.
sti/hf (afp, dpa, rtr, epd, kna)