Ohne Guanxi läuft rein gar nichts
4. September 2009"Guanxi ist Beziehungspflege. Es geht darum, sich über Beziehungen zu entwickeln, es geht um gegenseitige Privilegien." Die junge Frau, die das sagt, ist Anfang 30. Sie heißt Sarah Feng und betreibt in Shanghai eine Model-Agentur. "Ein Manager lädt seinen Kunden zum Essen ein, danach zum Business in die Karaoke-Bar und danach zum Business in den Massage-Salon. Guanxi ist vielfältig. Aber man pflegt die Beziehungen, indem man Geld füreinander ausgibt."
Viel mehr als Vitamin B
Sarahs chinesischer Name ist Feng Xin, aber sie hat sich wie viele junge Menschen in der Weltstadt Shanghai einen englischen Namen zugelegt. "Guanxi bedeutet traditionell: Es kommt nicht darauf an, was du kannst, sondern nur darauf, wen du kennst. Und das ist in der westlichen Welt nicht so ausgeprägt wie hier." Sarah Feng ist die Freundin von Lorenz Wagener, der vor fünf Jahren in Shanghai den Foto- und Marketing-Dienstleister Rimagine aufgebaut hat. Auch er hat seine Lektion in Sachen Guanxi gelernt: "Auf der einen Seite habe ich natürlich von dem Begriff gehört und mich gefragt, was das denn ist. Aber gleichzeitig dachte ich: das wird nicht viel anders sein als unser Vitamin B."
Aber Guanxi in China ist viel mehr als deutsches Vitamin B. Guanxi ist Beziehungspflege, die gesellschaftlich tief verwurzelt ist. Es geht darum, sich immer wieder gegenseitig persönlich zu versichern, wie sehr man sich schätzt. Durch Aufmerksamkeit und Zeit, durch Geschenke, durch regelmäßige Zuwendungen und Gefälligkeiten, durch eine familiäre Atmosphäre. Man muss extrem viel Zeit und Geld in regelmäßige, gemeinsame Abendessen investieren. "Man sollte dann wirklich gute Gerichte auffahren, gute Getränke haben, guten Schnaps danach kaufen, damit der andere auch sieht, dass man wirklich gewillt ist, in die Partnerschaft zu investieren und nicht versucht, überall zu sparen", sagt Wagener.
Mit der Faust auf den Tisch zu hauen geht gar nicht
Der 32-jährige Marketingexperte Lorenz Wagener aus Nürnberg hat in Shanghai vor allem mit internationalen Kunden zu tun, aber viele seiner Lieferanten sind chinesische Unternehmen. Und auch da läuft es ohne Guanxi nicht rund. Guanxi heißt nämlich auch, dass es von Anfang an immer sofort um eine langfristige Geschäftspartnerschaft geht. Da muss man verzeihen können - auch wenn der Lieferant einen Auftrag komplett versaut. "Dann sollte man nicht sofort auf den Tisch hauen und sagen: 'Ich bin unzufrieden, und das ist nicht gut, wie das gelaufen ist', sondern muss feinfühliger vorgehen, sehr gut zuhören, das beim Abendessen besprechen - eben nicht so rigoros und direkt sein, wie man es in Deutschland ist."
Guanxi ist soziales Kapital
Und auch das ist Guanxi: für ein gemeinsames Projekt wird vorher ein Preis festgelegt. Festgelegt ist dabei absolut wörtlich zu nehmen. "Und wenn dann irgendetwas anders kommt oder anders passiert, dann belässt man es dabei, weil man weiß, dass es nicht der letzte Auftrag ist." Wenn man gute Geschäftsbeziehungen und eine persönliche Beziehung hat, würde es sowieso zu Folgeaufträgen kommen, so dass man Verluste auch wieder eingepreisten könne.
In der chinesischen Geschäftkultur dreht sich alles um Guanxi. Wer nicht bereit ist, sich langfristig und privat auf seine Geschäftspartner einzulassen und auch Familiäres von sich preiszugeben, der wird es nicht weit bringen. Guanxi ist das soziale Kapital der neuen Wirtschaftsmacht.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Birgit Görtz