Orang-Utans zu Fuß unterwegs
21. März 2014Eigentlich ist Andreas Wilting gar kein Verhaltensforscher, sondern Ökologe am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Und doch veröffentlichte er auf Nature.com im Februar gemeinsam mit anderen Biologen eine Studie, deren Ergebnisse keinen Primatenforscher kalt lassen dürften: Orang-Utans bewegen sich viel häufiger am Boden fort als bisher angenommen - damit haben sie der fortschreitenden Abholzung ihres Lebensraumes etwas entgegenzusetzen.
Orang-Utans gibt es nur noch auf den Inseln Borneo und Sumatra. Sie sind die einzigen großen überlebenden Menschenaffen Asiens und gelten als die größten arboreal - also auf Bäumen lebenden - Säugetiere. Sie fressen und schlafen nicht nur in den Baumkronen der Urwaldriesen, sondern durchstreifen ihr Revier auch, indem sie sich von Ast zu Ast hangeln.
So dachte man jedenfalls bisher über den Alltag der Menschenaffen. Die Studie von Wilting zeichnet nun ein ganz anderes Bild der rotbraunen Kletterkünstler: Denn nach neuesten Ergebnissen kommen oft sie sogar auf den Boden - sowohl zum Fressen als auch zum Wandern. Wie aber ist es möglich, dass das unter Experten nicht bekannt war?
Neue Erkenntnisse durch versteckte Kameras
Ganz einfach: Wilting und seine Kollegen haben ihre Daten nicht durch direkte Beobachtungen der Tiere gesammelt, sondern mithilfe von am Waldboden versteckter Kameras. "Wir wollten eigentlich am Boden lebende Tiere wie Huftiere und Raubkatzen fotografieren. Mit den Orang-Utans hat keiner gerechnet", erklärt Wilting im Gespräch mit der DW.
Bisher hatten Verhaltensbiologen die Ausflüge der Orang-Utans auf den Waldboden als extrem selten eingestuft. Nun zeigt sich: Die scheuen Tiere haben wahrscheinlich aufgrund der Anwesenheit der Forscher die schützenden Baumkronen nicht verlassen. Die Kameras aus 16 Forschungsgebieten auf Borneo schossen dann aber so viele Fotos von Orang-Utans, dass sich die Wissenschaftler - die eigentlich alle an anderen Studien saßen - beschlossen, ihr Bildmaterial zusammenzutragen und gemeinsam auszuwerten.
Kameraaufnahmen ersetzen keine direkten Beobachtungen
"Versteckte Kameras werden mehr und mehr verwendet - vor allem, um nachtaktive oder extrem scheue Tiere überhaupt erfassen zu können", sagt Wilting. Mit den Kameras lasse sich die Biodiversität, also die Artenvielfalt eines Waldes, aufzeichnen.
Und im Falle der Orang-Utans hat diese indirekte Beobachtung einen neuen Ansatz für die Verhaltensforschung geliefert. Direkte Beobachtungen durch den Menschen lassen sich aber nicht ersetzen: "Die Kamera ist stationär und kann den Tieren nicht folgen. Sie macht Fotos oder kurze Filme, komplexes Verhalten lässt sich auf diese Weise nicht aufzeichnen", sagt der Ökologe. Ein ergänzendes Hilfsmittel seien sie aber allemal.