Ostafrikas Traum vom gemeinsamen Wirtschaftsraum
13. April 2016Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) wächst. Erst vergangenen März trat Südsudan als sechstes Land dem Regionalbund bei, dem außerdem Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda und Burundi angehören. Der Regionalbund hat die Länder näher zusammenrücken lassen. "Zwischen 2005 und 2014 ist der Handel innerhalb der EAC insgesamt um 300 Prozent gestiegen", sagt Dirk Smelty im Gespräch mit der DW. Als Wirtschaftsberater bei der tansanischen Handelskammer für Industrie und Landwirtschaft konnte er den Wandel aus nächster Nähe beobachten.
2000 schlossen die Länder sich offiziell zum Staatenbund zusammen, seit 2005 bilden sie auch eine Zollgemeinschaft. 2010 einigten sie sich auf mehr Freizügigkeit: Menschen können sich für ihre Arbeit frei zwischen den Ländern bewegen, Unternehmen können ihren Standort frei wählen. Die Zahlen sprechen für sich: Nach einem Bericht der EAC verdreifachten Kenia und Uganda seit Beginn der Zollunion ihre Importe, Tansania konnte sie gar vervierfachen. Der Handel in Ruanda und Burundi blieb dagegen konstant niedrig.
Drei treibende Kräfte: Kenia, Uganda, Ruanda
Die größten Profiteure sind laut Smelty die stärkeren Wirtschaftsmächte der Region: "Kenia hat als wirtschaftlich stärkstes Land auch die stärksten Interessen, den Export und die regionale Zusammenarbeit zu verbessern", so der Wirtschaftsberater. Ähnliches gelte für Uganda. Der dortige Präsident Yoweri Museveni pflege enge Beziehungen zum kenianischen Staatschef Uhuru Kenyatta. Die dritte treibende Kraft im Bund sei Ruanda. Dem Binnenland biete die EAC einen besseren Zugang zum Meer.
Für den kenianischen Wirtschaftswissenschaftler James Shikwati geht es bei der Union aber um viel mehr als nur um Handel. "Wir sollten herausstellen, dass sich die Region einen gemeinsamen Sprachraum teilt", sagt Shikwati im DW-Gespräch. Die gute sprachliche Verständigung auf Kisuaheli erleichtere es schließlich den Bürgern der EAC-Mitgliedsstaaten, sich frei über Staatsgrenzen hinweg zu bewegen. In der Wirtschaft setze sich derweil mehr Weitblick durch, sagt Shikwati, der in Nairobi die Non-Profit-Organisation "Inter Region Economic Network" leitet: "Unternehmen denken mittlerweile an die 148 Millionen Ostafrikaner, wenn sie ihre Businesspläne machen."
Tansanias Fuß ist nicht mehr auf der Bremse
Und wo bleibt Tansania? Obwohl das Land ein stabiles Wirtschaftswachstum von etwa 6,7 Prozent aufweist, hat es bislang keine großen Schritte getan, um die Wirtschaftsintegration voranzutreiben. Tansania habe einen besonderen Hintergrund, sagt Shikwati: "Durch seine sozialistische Vergangenheit übt der Staat viel Einfluss darauf aus, wie privatwirtschaftliche Unternehmen wachsen dürfen." Deshalb taste sich Tansania bis heute eher vorsichtig an eine liberalere Wirtschaftspolitik heran. Allerdings, so Wirtschaftsberater Smelty, sende der neue Präsident John Magufuli seit Oktober 2015 erste Signale für eine stärkere Zusammenarbeit.
Die Handelsgemeinschaft gleicht immer noch einer großen Baustelle: "Es hakt an der Logistik und an der Infrastruktur", sagt Smelty. Es gebe nicht genug Bahnlinien und Straßen. Das sei aber nun erkannt worden und habe im vergangenen Jahr zu neuen Entwicklungen geführt. Momentan laufen Großprojekte wie etwa der Bau einer Bahnlinie von der kenianischen Hafenstadt Mombasa in die ugandische Hauptstadt Kampala und einer Öl-Pipeline von Uganda zum Hafen Lamu in Kenia. Hinzu kommen zahlreiche großangelegte Straßenbauprojekte.
Währungsunion noch nicht greifbar
Mittlerweile geht es bei der EAC aber um weit mehr als nur um Infrastruktur: Seit 2010 gibt es Pläne, die 1,8 Millionen Quadratkilometer umfassende Region durch eine gemeinsame Währung noch enger zusammenwachsen zu lassen. Mit zwei Konfliktländern im Bündnis wird das nicht einfach sein. Das jüngste Mitglied Südsudan steckt seit Jahren im Bürgerkrieg. Und die Kontroverse um die dritte Amtszeit von Präsident Nkurunziza stürzte Burundi vor einem Jahr in eine Krise, die bis heute anhält und auch die politischen Beziehungen zu den Nachbarländern trübt. So kann es praktisch kein aktiver Wirtschaftspartner sein. Deshalb bleibt die Währungsunion bislang noch Zukunftsmusik.