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Ostkongo: Kein Frieden in Sicht

Hilke Fischer17. Dezember 2013

Die Waffenruhe zwischen der kongolesischen Regierung und der M23-Miliz bröckelt. Gleichzeitig massakrieren andere Rebellen die Zivilbevölkerung. Die zahlreichen Aufständischen im Kongo haben wenig Interesse an Frieden.

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M23-Rebellen auf einem Pick-up in der Demokratische Republik Kongo Foto: AP Photo/Jerome Delay
Bild: picture-alliance/AP

Es sind 48 Seiten, die alle aufkeimende Hoffnung auf einen baldigen Frieden im Ostkongo zunichte machen: In ihrem jüngsten Bericht schildern UN-Vertreter, dass die M23-Rebellen Kämpfer in Ruanda angeworben hätten. Die Gruppe habe fortdauernd Unterstützung aus dem Nachbarland erhalten, heißt es. Vor wenigen Tagen erst hatte sich die Rebellengruppe mit der kongolesischen Regierung auf einen Friedensplan verständigt. Zwanzig Monate lang hatte die M23 große Gebiete im Ostkongo kontrolliert und die lokale Bevölkerung terrorisiert. Eine großangelegte Militäraktion der kongolesischen Armee und UN-Truppen zwang sie zum Aufgeben.

"Dass die M23 zumindest erst einmal besiegt ist, bedeutet keine Stabilität für den Ostkongo", hatte Stefanie Wolters vom Institut für Sicherheitsstudien in Südafrika bereits unmittelbar nach dem militärischen Ende der Rebellenorganisation gewarnt. Der vertrauliche UN-Bericht gibt ihr Recht: Dutzende bewaffnete Gruppen, aber auch Einheiten der kongolesische Armee, seien in Menschenrechtsverletzungen und Korruption verwickelt, heißt es. Sie kontrollierten Rohstoffminen, schmuggelten Gold und seltene Erden außer Landes, rekrutierten Kindersoldaten, vergewaltigten Minderjährige und führten Massenhinrichtungen aus.

Karte DR Kongo, Ruanda, Uganda
Seit fast 20 Jahren herrscht im Ostkongo an der Grenze zu Ruanda und Uganda Krieg

Massaker an der Zivilbevölkerung

Vor drei Tagen erst haben Rebellen zwei Dörfer im Osten der Demokratischen Republik Kongo angegriffen und mindestens 21 Menschen getötet. Das jüngste Opfer sei offenbar nur wenige Monate alt gewesen, teilte die UN-Mission MONUSCO mit. Drei minderjährige Mädchen seien vergewaltigt und danach enthauptet, ein totes Kind verstümmelt in einem Baum gefunden worden.

Wer hinter dem Überfall steckt, ist noch unklar. Augenzeugen machen die ADF-Nalu, die "Allianz demokratischer Kräfte - Nationale Arme für die Befreiung Ugandas" verantwortlich - eine von rund vierzig Rebellenorganisationen, die im Ostkongo aktiv sind. Zwanzig Jahre voller Kriege und Konflikte im Kongo und in seinen Nachbarländern haben zahlreiche Rebellengruppen auf den Plan gerufen. Viele davon haben sich im Laufe dieser Zeit in die dichten Wälder im Osten des Landes zurückgezogen, wo der Einfluss der Zentralregierung schwach ist.

Die ADF-Nalu macht seit Jahren den nördlichen Teil der Provinz Nord-Kivu an der ugandischen Grenze unsicher. Die verschiedenen Milizen, auf die dieser Zusammenschluss zurückgeht, waren in den 1980er und 1990er Jahren im Widerstand gegen die Regierung von Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni gegründet worden. Sie ist die einzige muslimische Rebellengruppe in der Region.

Kein Vertrauen in den Staat

Gewalt und Unsicherheit verbreiten auch die Mai-Mai-Milizen, ein Sammelbegriff für eine Reihe von Selbstverteidigungsgruppen im Kongo. Gemeinsam haben sie den Gedanken des Schutzes der jeweils eigenen Bevölkerungsgruppe. Oft gehen sie aber willkürlich gegen angebliche "Eindringlinge" vor.

Kämpfer der Mai-Mai-Miliz 'Bakata Katanga' Foto: Delphin Bateko/PANAPRESS/MAXPPP
Kämpfer der Mai-Mai-Miliz 'Bakata Katanga'Bild: picture-alliance/dpa

"Im Osten herrscht schon so lange Kriegszustand, dass viele Leute kein Vertrauen mehr in irgendeine Form staatlich organisierter Sicherheitsleistung haben", sagt Claudia Simons, Kongo-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. In vielen Teilen des Landes sei es deshalb üblich, dass Dorfgemeinschaften ihre eigenen Milizen aufstellten.

Einmischung aus dem Nachbarland

Nach dem militärischen Sieg gegen die M23 hat die kongolesische Armee zusammen mit UN-Soldaten bereits die nächste Rebellengruppe ins Visier genommen: die FDLR, die "Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas". Die Geschichte dieser Miliz geht zurück auf den Genozid im Nachbarland Ruanda: 1994 töteten dort militante Hutu rund drei Viertel aller Angehörigen der Tutsi-Minderheit und viele gemäßigte Hutu. Nach dem Völkermord flohen viele der Täter über die Grenze in den Ostkongo. Als FDLR bestreiten sie von dort aus bis heute die Legitimität der ruandischen Tutsi-Regierung und terrorisieren die lokale Bevölkerung.

Für Ruanda ist die Präsenz dieser Miliz immer wieder Anlass für Einmischungen auf kongolesischem Boden. Die FDLR zu bekämpfen, war auch ein Ziel der M23, die zu diesem Zweck mutmaßlich von der ruandischen Regierung unterstützt wurde. "Die FDLR militärisch zu vernichten, wird sehr schwierig sein", sagt Stefanie Wolters. Denn anders als bei der M23 sei nicht klar, wo genau die Stützpunkte der Gruppe seien.

Zufrieden mit dem Status Quo

Neben einer militärischen Offensive im Kongo müsse es vor allem politische Gespräche zwischen der ruandischen Regierung und der FDLR geben, glaubt Wolters. Doch dass Dialog tatsächlich das Erfolgsrezept für Frieden und Stabilität im Kongo ist, bleibt fraglich: Viele Milizenführer hätten gar kein Interesse daran, die bestehenden Verhältnisse zu ändern, so Wolters: "Sie sind zufrieden damit, Warlords zu sein in dem Gebiet, das sie kontrollieren. Sie wollen keine Sicherheit, sondern weiterhin die Rohstoffe der Minen ausbeuten, die in diesem Gebiet liegen, und illegale Steuern kassieren."

Ein UN-Panzer im Kongo Foto: Junior D. Kannah/AFP/Getty Images
Eine UN-Mission unterstützt die kongolesische Regierung militärisch im Kampf gegen RebellenBild: Junior D. Kannah/AFP/Getty Images

Um den rohstoffreichen Osten des Landes tatsächlich zu befrieden, müsse die kongolesische Regierung deshalb noch größere Anstrengungen unternehmen, glaubt auch Claudia Simons. Die Reform der Sicherheitskräfte müsse weiter vorangetrieben werden. Außerdem müssten der Kongo und seine Nachbarländer enger zusammenarbeiten. Das gelte besonders für den Umgang mit den Millionen von Flüchtlingen, die zwanzig Jahre Krieg und Chaos hervorgebracht haben.