Päpstliche Premiere: Oberster Katholik besucht den G7-Gipfel
14. Juni 2024Als Papst Franziskus, das Oberhaupt der Katholischen Kirche, beim G7-Gipfel in Borgio Egnazia in seinem Rollstuhl in den Tagungssaal geschoben wurde, brandete Beifall auf. Alle Staats- und Regierungschefinnen und -chefs erhoben sich von ihren Stühlen an dem großen ovalen Tisch. Der Tisch war wirklich ziemlich groß, denn dort saßen nicht nur sieben Staats- und Regierungschefs aus den USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Japan, Deutschland und die italienische Gastgeberin Giorgia Meloni, sondern auch Präsidenten und Premierminister aus 12 weiteren Staaten wie Indien, Brasilien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres war anwesend. Die Gruppe der 7 war an diesem zweiten Gipfeltag eher zu einer Gruppe der 20 angeschwollen.
Melonis Stargast, der Papst
Italiens Ministerpräsidentin hatte sich als Vorsitzende der westlichen Industriestaaten diese große Runde ausgedacht. Die gläubige Katholikin Meloni war äußerst stolz darauf, den Papst überzeugt zu haben, auf "ihrem Gipfel" zu sprechen: "Das ist eine große, große Ehre und eine Premiere. Es ist das erste Mal, dass ein Papst zur G7 kommt. Ein historischer Tag."
Die ungewöhnlich vielen Einladungen an andere Staatsgäste aus aller Welt begründete Meloni damit, dass die G7 eben keine Festung von reichen Staaten sei, sondern ein offenes, dialogbereites Forum, in dem man drängende Probleme wie Migration, die Entwicklung des afrikanischen Kontinents oder Künstliche Intelligenz bespreche müsse. Die große Gipfel-Show bot der rechtsnationalen Ministerpräsidentin auch die Möglichkeit zu zeigen, dass ihre Regierungskoalition, die eigentlich das Motto "Italien zuerst" verfolgt, doch nicht so nationalistisch unterwegs ist und internationale Kooperation schätzt.
Franzikus fordert Verbot von autonomen Waffen
Der Papst widmete seine Ansprache den ethischen Fragen zur künstlichen Intelligenz. Zum Krieg gegen die Ukraine und der Lage im Nahen Osten äußerte sich Franziskus nicht, zumindest nicht im öffentlichen Teil seiner Rede. Der Vatikan hatte zuvor angedeutet, der Papst wolle zu Friedensbemühungen aufrufen. Deshalb habe er dem ungewöhnlichen Auftritt zugestimmt.
Die künstliche Intelligenz (KI) nannte das 87-jährige Oberhaupt der Katholischen Kirche einerseits faszinierend, andererseits erschreckend. Er rief die versammelten Politiker und Vertreter von UN und internationalen Finanzorganisationen auf, KI zu regulieren und immer von Menschen kontrollieren zu lassen. Nur sie seien in der Lage, mit dem Herzen zu entscheiden. "Menschliche Wesen müssen immer die Entscheidungsgewalt haben. Wir würden die Menschheit zu einer hoffnungslosen Zukunft verurteilen, wenn wir den Menschen ihre Fähigkeit zu entscheiden nähmen. Die Menschenwürde hängt davon ab", sagte der Papst. Er forderte ein Verbot von KI-gestützten, autonomen tödlichen Waffensystemen, die bereits in den Kriegen unserer Zeit eingesetzt werden. Keine Maschine dürfe jemals entscheiden, ob ein Mensch getötet werde oder nicht.
KI in Konflikten schon im Einsatz
Auf den Schlachtfeldern der Ukraine oder im Krieg der Hamas gegen Israel werde KI schon eingesetzt, sagt Maria Rosaria Taddeo. Sie ist Expertin für digitale Ethik und Verteidigungstechnologie am Oxford Internet Institute. Schon jetzt werde die neue Technik genutzt, um auf allen Seiten der Konflikte falsche Informationen und Propaganda zu verbreiten.
Für von KI gesteuerte Drohnen brauche man dringend eine Regulierung. "Es ist noch nicht zu spät, aber dringend", warnte Maria Rosaria Taddeo in einer Veranstaltung des European Council on Foreign Relations, einer Denkfabrik in Rom. KI könne aber auch positive Aufgaben wie Minenräumung unterstützen. Intelligente, ferngesteuerte Systeme könnten Landminen in der Ukraine hundertfach schneller aufspüren und zerstören als Menschen, so die Professorin.
Mehr Zusammenarbeit mit dem Süden
Mit den Gästen aus Asien, Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika diskutierten die G7-Spitzen auch über das weltweite Problem der Migration, der Flucht vor Konflikten und Klimaextremen. Die westlichen Staaten erklären, dass sie international besser zusammenarbeiten wollen, um Schlepperbanden und Menschenhändler zu fassen. Den Herkunfts- und Transitländern soll mehr Hilfe angeboten werden. Legale Migration und die Zuwanderung von Arbeitskräften, die gebraucht würden, soll gefördert werden.
Appelle an China
China, das nicht als Gast beim Gipfel in Italien vertreten war, fordert die G7 auf, seine Lieferungen von waffenfähigen Komponenten an Russland einzustellen. Chinesische Banken, die die russische Kriegswirtschaft finanzieren helfen, sollen mit Sanktionen belegt werden. China wird weiter aufgefordert, seine Überkapazitäten bei der Produktion zum Beispiel von Elektroautos abzubauen. Man wolle freien Wettbewerb, der aber fair sein müsse, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die für die Europäische Union am G7-Gipfel teilnahm. Die EU hatte erst am Mittwoch Strafzölle gegen Elektroautos aus China angekündigt. China droht seinerseits mit Gegenmaßnahmen.