PLO-Generalsekretär Saeb Erekat ist tot
10. November 2020Die politische Weltbühne und Fernseh-Studios internationaler Sender waren sein Zuhause: Saeb Erekat galt als einer der sichtbarsten, aber auch streitbarsten palästinensischen Politiker.
Der langjährige Verhandlungsführer war die Stimme gegen die militärische Besatzung der palästinensischen Gebiete. Und er gehörte wohl zu den palästinensischen Politikern, die am meisten Zeit mit Israelis am Verhandlungstisch verbracht haben
Der 65-Jährige hatte sich Anfang Oktober mit dem Coronavirus infiziert und zunächst nur milde Symptome. Nachdem sich sein Zustand verschlechtert hatte, war er am 18. Oktober von seinem Haus in Jericho im besetzten Westjordanland in ein israelisches Krankenhaus in Jerusalem gebracht worden.
Erekat galt als Risikopatient, nachdem er sich vor drei Jahren aufgrund einer chronischen Lungenerkrankung einer Lungentransplantation in den USA unterzogen hatte. Am 10.November starb Erekat an den Folgen der Corona-Infektion.
Langjähriger Verhandlungsführer
2015 wurde Erekat als führendes Mitglied der Fatah-Bewegung Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) im besetzen Westjordanland. Das Scheitern des Friedenprozesses wirft auch Schatten über seine Rolle als Verhandlungsführer.
Saeb Erekat wurde 1955 in Abu Dis geboren, einem Vorort von Jerusalem. Sein Zuhause war aber die Stadt Jericho, wo er mit seiner Familie lebte und regelmäßig Diplomaten und Journalisten empfing.
In den 1970er Jahren studierte er internationale Beziehungen und Politikwissenschaft an der San Francisco State University in den USA. Anschließend promovierte er in Friedens- und Konfliktstudien in Großbritannien.
Als hochrangiges Fatah-Mitglied wurde er enger Berater des verstorbenen, früheren palästinensischen Anführers und Präsidenten Jassir Arafat und diente später in ähnlicher Funktion dem derzeitigen Präsidenten Mahmoud Abbas.
Scheitern des Friedensprozesses
1991 gehörte er zur palästinensischen Delegation bei der Friedenskonferenz in Madrid. Der Durchbruch kam allerdings erst mit den Osloer Abkommen und Erekat wurde Chefunterhändler der PLO.
Diese Rolle behielt er auch, als der Friedensprozess allmählich zu scheitern begann. Erekat war immer dabei: ob bei den Friedensgesprächen mit Israel in Camp David (USA) im Jahr 2000, im ägyptischen Taba 2001 oder den nachfolgenden Versuchen, den Friedensprozess wieder aufzunehmen.
In einem DW-Interview Ende Mai über Israels umstrittene Annexionspläne von Teilen des besetzten Westjordanlands reflektierte Erekat auch über seine Rolle als Verhandlungsführer. "Ich wohne im Jordantal. Und ich habe Palästinensern gesagt: Wenn Ihr Israel anerkennt, auf Gewalt verzichtet, wenn Ihr euch hinsetzt und verhandelt, dann werdet Ihr einen unabhängigen Staat bekommen. Und jetzt legt Netanyahu eine Landkarte vor, um 94 Prozent meines Wahlkreises (Jericho, Anmerk. d. Red.) zu annektieren. Denken Sie, ich kann noch mein Haus verlassen und meinen Leuten gegenüberstehen, die an mich geglaubt haben?" fragte er.
Schwieriges politisches Erbe
Erekats Tod kommt zu einer Zeit, in der es kaum mehr Aussicht auf eine politische Lösung für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern gibt. Nachdem US-Präsident Donald Trump Ende 2017 Jerusalem als Israels alleinige Hauptstadt anerkannt hat, brach die palästinensische Führung die diplomatischen Beziehungen ab.
Anfang 2020 dann führte der neue US-Plan, auch als "Vision für den Frieden" oder "Deal des Jahrhunderts" bezeichnet, zu neuen Spannungen, da der Plan vor allem die israelische Position begünstigt.
Sichtlich enttäuscht erklärte Erekat: "Ich habe mein Bestes gegeben, um Frieden mit Israel zu erreichen, aber dann kam ein Ministerpräsident in Israel und der Präsident der Vereinigten Staaten, die alles torpedieren, was Frieden zwischen Israelis und Palästinenser bringt."
Erekats Rolle als Verhandlungsführer und Politiker war dabei durchaus umstritten. 2011 enthüllte der katarische Sender Al-Jazeera in den sogenannten "Palästina-Papieren" Einzelheiten der Verhandlungen mit seinen israelischen Amtskollegen.
Die Reaktionen in der palästinensischen Öffentlichkeit auf die weitgehenden Zugeständnisse an die Israelis waren vernichtend. Laut Erekat seien die Dokumente jedoch aus dem Zusammenhang gerissen worden. Zwar trat er kurzzeitig von seinem Posten zurück, nahm seine Arbeit aber später wieder auf.
Wie andere palästinensische Politiker seiner Generation wurde er zunehmend von der Öffentlichkeit kritisiert, weil er keine Lösung für den Konflikt finden konnte. In den neunziger Jahren betrachteten viele Palästinenser die Osloer-Friedensabkommen und späteren Vereinbarungen noch als Errungenschaft auf dem Weg zu einem eigenen Staat.
Heute stehen diese Abkommen hauptsächlich für eine Verschlechterung der gesamten Situation und für das Versäumnis der palästinensischen Führung, die israelische Besatzung zu beenden.
Saeb Erekat, der in seinem Umgang als diplomatisch, aber sehr direkt beschrieben wird, hatte in den letzten Jahren mit vielen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Trotzdem trat er weiterhin in der Öffentlichkeit auf und blieb entschlossen, dass nur eine faire und gerechte Zwei-Staaten-Lösung Frieden zwischen Palästinensern und Israelis schaffen würde.