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Paralympische Friedensoffensive

Ronny Blaschke7. März 2014

Trotz des russischen Vorstoßes auf der Krim wird das ukrainische Team an den Weltspielen des Behindertensports teilnehmen. Die Athleten wollen für Frieden werben, doch zu Hause erwartet sie eine ungewisse Zukunft.

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Der Präsident des Paralympischen Komitees der Ukraine: Valeriy Suskevich. (Foto: epa)
Der Präsident des Paralympischen Komitees: Valeriy SuskevichBild: picture-alliance/dpa

"Wir lieben das Leben, wir lieben den Sport." Mit seinem Auftritt im überfüllten Pressesaal des Olympiageländes in Sotschi könnte Valeriy Suskevich in die paralympische Geschichte eingehen. Das Mitglied des ukrainischen Parlaments sprach in seiner zweiten Funktion, als Präsident des Paralympischen Komitees der Ukraine. "Wir möchten für unser Recht eintreten, für Frieden. Wir wollen in das Gedächtnis der Weltöffentlichkeit", sagte Suskevich. Die Ukraine wird an den Winter-Paralympics teilnehmen. Dass ein ukrainischer Politiker auf russischem Boden vor Journalisten aus aller Welt Kritik am Gastgeber äußern darf, ist in diesen Tagen mehr als ungewöhnlich. "Wir sind nicht von der Politik abgekapselt", sagte er.

Längst ist klar, dass der Vorstoß Russlands auf der ukrainischen Halbinsel Krim die Weltspiele des Behindertensports überschatten wird. Am Donnerstag wurde das ukrainische Team im Paralympischen Bergdorf von Krasnaja Poljana empfangen. "Frieden für die Ukraine", riefen die Sportler, einige weinten. Komiteechef Suskevich überreichte dem Dorfbürgermeister eine Landkarte der Ukraine. In den vergangenen Tagen stand er im Kontakt mit ukrainischen Politikern, vor allem mit Dmitry Bulatov. Der neue Sportminister Ukraine gehörte in Kiew der Revolutionsbewegung auf dem Maidan an. Im Januar wurde er von pro-russischen Kräften entführt und gefoltert. Nach einer Woche wurde er gefunden, blutüberströmt. Am Donnerstagabend hat Suskevich den russischen Präsidenten für dreißig Minuten getroffen. Putin habe ihm keine Garantien gegeben: "Sollte die Lage eskalieren, reisen wir sofort ab."

Wladimir Putin bei den Paralympics in Sotschi. (Foto: afp)
Wladimir Putin (r.) bei den Paralympics in SotschiBild: Aleksey Nikolsky/AFP/Getty Images

Wegen Behinderung ins Krankenhaus

Es gibt nicht viele Teilnehmer, die die Gefühlslage der Paralympics so verkörpern wie Valeriy Suskevich. Gleich zu Beginn der Pressekonferenz sagte er, seinem Fahrer sei bei der Sicherheitskontrolle der Zugang zum Olympiapark verwehrt worden. Er betonte, russische Offizielle hätten sich vorab nach seinen geplanten Äußerungen erkundigt. Doch er erwähnte auch, dass seine Familie vor allem Russisch spricht. Er lobte die Zusammenarbeit mit Wladimir Lukin, der dem Paralympischen Komitees Russlands vorsteht. Lukin ist seit zehn Jahren Menschenrechtsbeauftragter der russischen Regierung.

"Er ist für viele ein Idol", sagt der ukrainische Fotograf Valentine Kaminsky über Valeriy Suskevich. Als Jugendlicher begann Suskevich mit dem Schwimmen, sein Vater fuhr mit ihm ans Meer, schubste ihn ins Wasser. Später wurde er nicht in die Schwimmhalle gelassen, weil er behindert war. Die Bademeister wollten ihn lieber ins Krankenhaus schicken. Doch Suskevich blieb hartnäckig, zweimal wurde er sowjetischer Meister im Behindertenschwimmen. Seine Frau hat eine Sehschädigung, auch sie war im Schwimmen erfolgreich.

Offene politische Meinungsäußerung

Als Politiker setzte Suskevich das Recht von behinderten Menschen auf die Agenda. Inzwischen soll sich in jeder Region eine Schule um die Teilhabe von behinderten Kindern kümmern. Gemessen am Standard in Deutschland, Skandinavien oder Großbritannien mag das kaum erwähnenswert sein - für die ehemaligen Sowjetstaaten ist es enorm. Auch im paralympischen Sport haben sich die Ukrainer rasant entwickelt. Im Winter 2010 in Vancouver erreichte das ukrainische Team den fünften Platz im Medaillenspiegel, im Sommer 2012 in London den vierten Rang.

Valeriy Suskevich setzt sich in der Ukraine für Menschen mit Behinderung ein. (Foto: Getty)
Valeriy Suskevich setzt sich in der Ukraine für Menschen mit Behinderung einBild: Kirill Kudryavtsev/AFP/Getty Images

Valeriy Suskevich wird sich öfter politisch äußern in den kommenden Tagen. Das sieht das Internationale Paralympische Komitee nicht so gern. Ob das IPC reagieren wird wie das Internationale Olympische Komitee, das während der Winterspiele einen Trauerflor untersagte? Valeriy Suskevich dürfte das ziemlich egal zu sein und vielleicht werden auch die Ukrainer einen Trauerflor tragen. Vor wenigen Wochen hat sein Team einen jungen Freund verloren, der 2013 bei den Deaflympics in Sofia teilgenommen hatte, den Weltspielen der gehörlosen Menschen. Er starb während der Proteste in Kiew.