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Paris: Ein Sommer zwischen Urlaubsstimmung und Protesten

Kim-Aileen Sterzel
14. Juli 2023

Sommer an der Seine: Touristen und Pariser suchen nach Abkühlung. In die Urlaubsatmosphäre mischen sich die Bilder der gewaltsamen Proteste der letzten Wochen. Ein Stimmungsbild von DW-Reporterin Kim Sterzel aus Paris.

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Menschen sitzen auf der Terrasse eines Restaurants an der Seine in Paris, Frankreich
Paris ist eine der meistbesuchten Städte Europas - was erwartet Touristen in diesem Sommer?Bild: picture alliance / Mika

Ein lauer Nachmittag in der französischen Hauptstadt: Ich sitze am Ufer der Seine und lasse mir die leichte Brise ins Gesicht wehen – es riecht nach Crêpes. Irgendwo nicht weit von mir gibt eine Gruppe Straßenmusiker französische Klassiker wie "Je ne regrette rien" oder "La Bohème" zum Besten. Zu den Melodien von Édith Piaf oder Charles Aznavour mischt sich jedoch noch ein anderes Geräusch: die Sirene des Martinshorns – eine paradoxe Pariser Sommeridylle.

Ferienbeginn in der Hauptstadt

Ein kurzer Rückblick: Vor zwei Wochen wird bei einer Verkehrskontrolle in Nanterre bei Paris ein 17-Jähriger durch einen Polizeischuss tödlich verletzt. Im Anschluss brechen in vielen französischen Städten gewaltsame Proteste aus, Mülltonnen und Autos werden in Brand gesetzt. In einigen Orten werden Ausgangssperren verhängt. Im Raum Paris fahren ab 21 Uhr keine Busse und Straßenbahnen mehr. Eine Woche liegen die Proteste nun zurück.

Ein Feuerwehrmann vor einem Brand in Nanterre im Westen von Paris
Die Proteste gegen Polizeigewalt weiteten sich auf das ganze Land ausBild: Zakaria Abdelkafi/AFP

Inzwischen haben die Schulferien in der Region Île-de-France begonnen. Viele Pariser und Pariserinnen verlassen die Metropole für die kommenden zwei Monate, um der Sommerhitze zu entkommen. Touristen und diejenigen, die in der Stadt bleiben, begeben sich auf die tägliche Suche nach Schattenplätzen und Erfrischungen – so zum Beispiel in einem der Pariser Parks. Die warmen Sommermonate scheinen der Metropole eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen. Die Stimmung im Park La Villette, dem größten Pariser Park mit Kanal und Freizeitprogramm, ist ausgelassen und dennoch etwas gedrückter als sonst. 

"Die Stadt ist im Sommer nochmal viel lebendiger als im Winter, die Menschen sind irgendwie freundlicher", erzählt mir Adrian Zimmer aus Deutschland, der seit einem Jahr in Paris wohnt, bei einem Spaziergang am Canal de L'Ourcq. "Man sieht ab und zu eingeschlagene Glasscheiben, die man allerdings auch schon bei den Protesten gegen die Rentenreform im März gesehen hat. Aber jetzt bekomme ich eigentlich gar nichts mehr davon mit." Auch auf Wahlpariserin Mariana Lopez treffe ich im Park La Villette im Norden von Paris: "Es ist eine Frage des Viertels, in dem man wohnt."

Ein Kanal im Park Villette in Paris mit einer überirdischen und einer schwimmenden Brücke, Frankreich
Bootstour auf dem Kanal, Riesenrutsche und Open-Air Kino: Im Park La Villette wird im Sommer viel gebotenBild: Kim Sterzel/DW

Proteste beeinflussen die Feierlichkeiten

Dennoch beschweren die Vorfälle von Nanterre den 14. Juli – den französischen Nationalfeiertag, die sogenannte Fête Nationale. Als symbolischer Beginn der französischen Revolution erinnert der Tag an den Sturm auf das ehemalige Staatsgefängnis der Bastille 1789 sowie an das Föderationsfest 1790. Traditionell wird dieser Tag in der französischen Hauptstadt mit einer Militärparade auf den berühmten Champs-Elyséen sowie einem Feuerwerk am Eiffelturm gefeiert. Um ein Wiederaufflammen der gewaltsamen Proteste zu verhindern, erließ Frankreich für den Nationalfeiertag im Vorfeld ein landesweites Verbot für privates Feuerwerk. Busse und Straßenbahnen stellen den Verkehr ab 22 Uhr in der Hauptstadt ein.

Im vergangenen Jahr besuchten in den Sommermonaten zwischen Juni und August 9,9 Millionen Menschen die französische Hauptstadt, die meisten davon im Monat Juli. Seit dem Beginn der Proteste sind die Hotelbuchungen und Online-Suchanfragen nach Flügen für Paris leicht zurückgegangen. "Wir müssen Ruhe bewahren, wir haben keine Stornierungswelle in Paris", sagte Tourismusministerin Olivia Grégoire gegenüber der Agence Française Presse (AFP). Die von ihrem Team befragten Plattformen hätten von einem Rückgang um 0,5 bis 2 Prozent gesprochen, aber das erlaube keine Rückschlüsse, meint sie.

Von Kino, Festivals und Schlössern

Für gewöhnlich leert sich die Seine-Metropole im August und der Großstadttrubel scheint für ein paar Wochen stillzustehen: "Es gibt viele Veranstaltungen draußen, das Kino-Festival Cinéma Paradiso am Louvre zum Beispiel. Die meisten Dinge, die ich im Sommer mache, sind Veranstaltungen im Freien in den verschiedenen Stadtvierteln", empfiehlt mir Berry Ntambwe aus Paris bei einem kurzen Gespräch im Schatten. Für Urlaubsstimmung an der Seine sorgen unter anderem die Angebote von Paris Plages in den Monaten Juli und August. Seit 2002 bietet die Veranstaltungsreihe viele sommerliche Freizeitaktivitäten an den Ufern der Seine an – von Pétanque und Tanz bis Street-Art. Das Ferienprogramm wird durch Konzerte und Spektakel, wie dem Musikfestival Rock en Seine Ende August oder der Show La nuit aux Invalides den ganzen Sommer über ergänzt.

Das Schloss Sceaux  in Frankreich mit seinem Garten.
In der Region Île-de-France gibt es viele Schlösser. Mit dem RER braucht man circa 40 Minuten zum Schloss Sceaux südlich von ParisBild: Kim Sterzel/DW

Ruhe und Verschnaufpausen gibt es in der Metropole im Sommer an anderer Stelle: "Ich gehe gerne ins Museum, wenn dort weniger los ist", empfiehlt Emma Compagnion aus Straßburg, gerade zu Besuch in Paris, auf meine Frage nach Tipps für die Sommermonate in Paris. Einen Moment der Stille findet man ebenfalls am frühen Morgen beim Blick auf den Sonnenaufgang über der Stadt, vom Aussichtspunkt vor der Basilika Sacré-Cœur in Montmartre. Wenn einem die Großstadt dennoch zu viel wird, lohnt sich ein Ausflug in die Île-de-France-Region, wie zum Seerosengarten von Claude Monet in Giverny. Alternativen zum Trip nach Versailles bieten die zahlreichen Schlösser in der Pariser Umgebung, wie in den Pariser Vororten Sceaux oder Rambouillet.

Die Rentrée als Neustart?

Spannungen und Aufstände gab es in der Vergangenheit häufig in Frankreich, nicht zuletzt gegen die Rentenreform im März diesen Jahres. "Wenn man die Frage in zwei Monaten nochmal stellt, wird niemand mehr darüber sprechen. Es ist ein Phänomen, das passiert und wieder verschwindet", so Thomas Orssaud, ursprünglich aus Lyon, im Park La Villette: "Gewaltphänomene hat es schon immer gegeben. Es wird wieder passieren."

Zwei Menschen stehen an der Seine, eine Lichtreflexion auf dem Fluss taucht das Foto in eine romantische Stimmung, Paris, Frankreich
Paris - ein SommernachtstraumBild: picture alliance / Mika

In zwei Monaten werden die Sommerferien vorüber sein. Der Alltag löst die Leichtigkeit des Sommers ab und die Pariser und Pariserinnen kehren in ihre Metropole zurück. Die sogenannte "Rentrée" Anfang September steht in Frankreich für den Schul- und Arbeitsbeginn nach den großen Ferien – gleichzeitig für eine Art Neustart.

Aber an den Ausklang der womöglich unbeschwerten Sommerzeit in der französischen Hauptstadt möchte ich jetzt noch nicht denken. An das Ende von ausgelassenen "apéros" an zu heißen Sommerabenden und der permanenten Suche nach etwas surrealer Großstadtromantik, wie in Woody Allens "Midnight in Paris". Stattdessen lehne ich mich am Ufer der Seine zurück und höre dem Sommerremix aus französischen Chansons und Sirenengeheul zu.