Parlament trotzt Militärrat
10. Juli 2012Erneut hat sich das ägyptische Verfassungsgericht in den Machtkampf zwischen dem Militärrat und dem neuen Präsidenten Mohammed Mursi eingeschaltet. Nach Angaben aus Justizkreisen entschied es gegen das Dekret Mursis zur Wiedereinberufung des Parlaments. Bereits am Montag hatte das Gericht mitgeteilt, es halte die Wiedereinsetzung durch den Präsidenten für unzulässig. Die neuerliche Entscheidung könnte die angespannte Lage in Ägypten weiter verschärfen. Tausende Unterstützer Mursis strömten nach dem Urteil auf den Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kario und skandierten, der Richterspruch sei illegitim.
Die jüngste Gerichtsentscheidung erfolgte nur wenige Stunden, nachdem das aufgelöste Parlament zu einer Sitzung zusammengetreten war und sich damit den Anordnungen des Militärrates widersetzt hatte. Die Abgeordneten berieten bei ihrer Zusammenkunft über das Urteil des Verfassungsgerichts vom Juni. Parlamentspräsident Saad al-Katatni erklärte, die Volksvertreter hielten sich an Recht und Gesetz. "Das Parlament kennt sehr genau seine Rechte und Pflichten", sagte Al Katatni. "Ich betone, dass wir nicht im Widerspruch zu diesem Urteil stehen."
Per Handzeichen stimmten die Abgeordneten für den Vorschlag von Al Katatni, juristischen Rat für eine Umsetzung des Urteils des Verfassungsgerichts einzuholen. Das Revisionsgericht solle über eine mögliche Neuwahl des Parlaments entscheiden. Dann wurde die Sitzung vertagt. Al Katatni kündigte an, die Abgeordneten über das Datum der nächsten Sitzung zu informieren.
Mursi contra Militärrat
Das Oberste Gericht hatte im Juni die Parlamentswahl wegen eines fehlerhaften Wahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Der Militärrat löste daraufhin das Parlament auf und übernahm vorübergehend die Machtbefugnisse der Kammer. Am Sonntag hatte Staatschef Mohammed Mursi den ersten Schritt einer offenen Machtprobe mit dem Militärrat gewagt und versucht, das Parlament per Dekret wieder einzusetzen. Das Verfassungsgericht lehnte dies jedoch ab.
Das aufgelöste Parlament war von Islamisten dominiert worden. Die größte Fraktion stellte die Muslimbruderschaft, zu denen auch Mursi gehörte. Nach seiner Wahl zum Präsidenten legte er die Mitgliedschaft jedoch nieder.
Ägyptische Kommentatoren und Politiker hatten den Muslimbrüdern in den vergangenen Tagen vorgeworfen, sie respektierten die Justiz und das Prinzip der staatlichen Gewaltenteilung nicht. Die Parlamentarier aus dem linken und liberalen Spektrum blieben der Parlamentssitzung fern.
Clinton und Westerwelle stärken Mursi den Rücken
US-Außenministerin Hillary Clinton rief unterdessen alle Beteiligten dazu auf, die Regierungskrise zu beenden. Das ägyptische Volk solle bekommen, wofür es protestiert und was es gewählt habe, so Clinton, nämlich eine gewählte Regierung, die Entscheidungen fällt, welche das Land voranbringen. Kommendes Wochenende will Clinton in Kairo mit Präsident Mursi zusammentreffen.
An diesem Dienstag ist bereits der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zu Besuch in Ägypten. Er gehe davon aus, dass sich Mursi für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Pluralität einsetzen werde, sagte er nach einem Treffen mit dem Präsidenten. Mursi habe erneut klar gemacht, dass er nicht die Entscheidung des Gerichts infrage stelle, sondern dass es um die Umsetzung des Urteils gehe.
fi/li/kis (afp, dpa, dapd, rtr)