Konfederacja Polen: Rechts, libertär - und wahlentscheidend?
31. Juli 2023Polens neuer Polit-Star Slawomir Mentzen ist gerade einmal 36 Jahre alt. Er ist promovierter Volkswirt, besitzt eine Steuerberatungskanzlei und eine kleine Brauerei. Sein Programm, das er "Verfassung der Freiheit" genannt hat, ist einfach: ein Steuersatz von zwölf Prozent für alle, Erleichterungen für private Unternehmer, Abschaffung der obligatorischen Renten- und Krankenversicherung, scharfe Kritik an Brüssel. Mit diesen Parolen will Mentzen seine Partei Konfederacja bei der Parlamentswahl im Herbst zur drittstärksten Kraft im Lande machen.
Mentzens Bewegung "Neue Hoffnung" ist ein Teil der Partei Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit, kurz Konfederacja. Dazu gehören auch die Nationale Bewegung und die Monarchisten der Vereinigung "Polens Krone". Die libertär-rechtnationalistische Sammel-Gruppierung entstand vor der Parlamentswahl 2019 und konnte schon damals elf Sitze im Sejm gewinnen. Wegen interner Streitereien und provozierender Auftritte im Parlament vegetierte die Bewegung allerdings lange am Rande des politischen Lebens vor sich hin.
In diesem Jahr jedoch steigen kontinuierlich die Zustimmungswerte. In manchen Umfragen hat Konfederacja bereits die Marke von 15 Prozent geknackt und andere Parteien, die Anspruch auf den dritten Platz erheben, wie die Neue Linke oder der christlich-demokratische Block Polska 2050/PSL (Bauernpartei), glatt überholt.
Dominanz von Tusk und Kaczynski in Frage gestellt
Seit mehr als 20 Jahren dominieren die Politik in Polen zwei Schwergewichte: Donald Tusk und Jaroslaw Kaczynski. Tusks liberal-konservative proeuropäische Bürgerplattform (PO) regierte von 2007 bis 2015. Danach übernahm Kaczynskis rechts-nationale und europaskeptische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das Regierungsruder, die schon vorher (2005-2007) an der Macht gewesen war.
Alle Versuche, das Monopol der beiden Großparteien dauerhaft zu überwinden, sind bisher gescheitert. Doch nun, zwei Monate vor der polnischen Parlamentswahl im Herbst, wittert die Konfederacja ihre Chance. Den steilen Aufstieg in den Umfragen verdankt sie Polit-Newcomer Mentzen. Er hat es geschafft, der dubiosen Bewegung ein neues, modernes Image zu geben, das bei einem Teil der Wählerschaft gut ankommt.
Bei der Parteigründung vor vier Jahren nannte Mentzen als Ziel der Partei "ein Polen ohne Juden, Homosexuelle, Abtreibungen, Steuern und Europäische Union" zu schaffen. Heute hält er sich öffentlich mit solchen Aussagen zurück - wie auch mit der Verbreitung seiner Pläne, Frauen wegen Schwangerschaftsabbruch mit Gefängnishaft zu bestrafen. Statt langer Auftritte organisiert er lockere Veranstaltungen wie "Bier mit Mentzen". Zielgruppe sind junge Männer, vor allem selbständige Unternehmer. Laut Forschungsinstitut Ogolnopolska Grupa Badawcza will die Hälfte aller Männer zwischen 18 und 39 Jahren bei den Parlamentswahlen im Herbst ihre Stimme der Konfederacja geben.
Neues Image für radikale Partei
Um das Ansehen der Konfederacja aufzupolieren und sie wählbar für die gesellschaftliche Mitte zu machen, hat Mentzen den geistigen Vater der libertären Bewegung in Polen, Janusz Korwin-Mikke, entmachtet und ihn als Parteichef ersetzt. Der 80-jährige Sejm-Abgeordnete war als "Bürgerschreck" seit Langem ein Hindernis für die Modernisierung der Partei.
Korwin-Mikke propagierte bereits lange vor der demokratischen Wende 1989 freie Marktwirtschaft in radikaler Form und kritisierte den Sozialstaat. Er kandidierte mehrmals bei Parlaments- und Präsidentenwahlen. Mit jeder Niederlage radikalisierte sich der Einzelgänger, dessen Markenzeichen das Tragen eine Fliege ist. Mit seinen frauenfeindlichen und prorussischen Sprüchen sorgte er immer wieder für Skandale.
Schwäche für Russland und antideutsche Töne
Seine Schwäche für Moskau teilt Korwin-Mikke mit dem Chef der Monarchisten in der Konfederacja, Grzegorz Braun. Der Vorsitzende der Bewegung "Konföderation Polens Krone" sorgte vor einiger Zeit für Schlagzeilen, als er bei einer Veranstaltung im Deutschen Historischen Institut auf die Bühne stürmte und Mikrofon und Lautsprecher demolierte. Auf dem Wahlparteitag im Juni begründete Braun sein Verhalten so: "Weder Deutsche noch Juden werden uns Geschichtsunterricht erteilen." Er nannte die EU "Euro-Kolchose" und verlangte ein "Ende der Ukrainisierung Polens".
Als eine Anti-System-Partei lehnt Konfederacja alle Bündnisse mit den traditionellen Parteien ab. Auch PO und PiS wollten vorerst mit Mentzen nichts zu tun haben. Doch Kaczynski scheint inzwischen die Gefahr erkannt zu haben. Seine Taktik, niemals eine rechts von der PiS stehende politische Kraft zuzulassen, droht zu scheitern.
Polnisches Parlament: Wer koaliert mit wem nach der Wahl?
In der letzten Juliwoche ging Kaczynski erstmals bei einem öffentlichen Auftritt auf die Konfederacja ein. Ihr Programm sei "von Wahnsinnigen" geschrieben worden. "Nur Kinder können an ein solches Programm glauben", sagte der PiS-Chef. Auch Premierminister Mateusz Morawiecki griff die Konkurrenten an. "Das ist ein darwinistisches Programm, das die Starken noch stärker macht, die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer", sagte er.
Auch Oppositionsführer Tusk nahm die Konfederacja ins Visier und nannte ihre Steuerpläne - sehr niedrig und für alle gleich - "Unsinn". "Konfederacja tut so, als ob sie die Opposition wäre, in Wirklichkeit ist sie in vielen Fragen noch radikaler als die PiS", sagte Tusk auf einer Wahlkampfveranstaltung in Poznan/Posen.
Nach übereinstimmender Meinung von Experten werden nach der Wahl im Herbst weder Kaczynski noch Tusk allein regieren können. Dann bekäme die Konfederacja mehr Macht, als es sich die beiden großen Parteien in Polen gerade noch ausmalen wollen.
Die führende polnische Wochenzeitung "Polityka" entwarf für diesen Fall bereits ein mögliches Szenario: "Konfederacja lehnt die Regierungsbeteiligung ab, egal, wer sie stellt, und wartet auf die Krise und vorzeitige Wahlen. Erst dann wird sie ihren Machtanspruch stellen", schrieb die Zeitung. Mentzens große Stunde, sie könnte bald schlagen.