Kein Staatsgeld für Extremisten?
10. Februar 2017Gleich drei Mitglieder des Bundesrates wollen der NPD den Geldhahn zudrehen. Am Freitag befasste sich die Parlamentskammer der 16 Bundesländer mit den Anträgen, die bezwecken, die rechtsextremistische Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland forderten in einem gemeinsamen Antrag die Bundesregierung auf, eine Änderung des Grundgesetzes auf den Weg zu bringen. Dieser Antrag wurde von der Länderkammer einstimmig angenommen. Zum anderen legte das Land Niedersachsen einen Gesetzesvorschlag vor. Darin heißt es: "Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, können auf Grund eines Gesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien ausgeschlossen werden." Dieser Antrag wurde zur weiteren Beratung an die Ausschüsse verwiesen.
Ein Euro pro Wählerstimme
Mit ihren Anträgen nehmen die Bundesländer einen Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf. Dieses hatte es im Januar abgelehnt, die Kleinpartei offiziell zu verbieten. Die Begründung: Die NPD sei zwar verfassungsfeindlich, aber sei nicht in der Lage, den Staat zu stürzen. Sie sei zu unbedeutend für ein Verbot, so die Richter. Mit der Urteilsbegründung legten sie dem Gesetzgeber aber nahe, "andere Reaktionsmöglichkeiten" zu finden. Den Rechtsextremisten das Geld zu sperren, wäre eine solche andere Reaktion, glauben die drei Bundesländer.
Bislang werden alle Parteien vom Staat nach den Regeln des Parteiengesetzes finanziell unterstützt - auch die NPD. Wie hoch die Gelder sind, bestimmt sich zum größten Teil am Erfolg bei den verschiedenen Wahlen in Land, Bund und EU. Gewinnt eine Partei bei Europa- und Bundestagswahlen mehr als 0,5 Prozent der Stimmen, bekommt sie dafür staatliche Unterstützung: einen Euro pro Wählerstimme. Zudem legt der Staat auf jeden Euro, den eine Partei gespendet bekommt, noch einmal knapp die Hälfte oben drauf. Im Jahr 2015 flossen so aus der Staatskasse 1,3 Millionen Euro an die NPD. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gehört zu jenen, die den Vorstoß der Länder ausdrücklich begrüßen. "Steuermittel für die NPD sind eine staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze", begründete er dies gegenüber der "Rheinischen Post".
Pro: Gleichbehandlung nicht zwingend
Die Befürworter einer Reform der Parteienfinanzierung argumentieren, dass juristisch gut geklärt sei, ab wann eine Partei sich verfassungsfeindlich betätige. Ab dieser Grenze könne ihr dann das Staatsgeld gestrichen werden. Eine Definition sei nicht erforderlich, heißt es in der Begründung zum niedersächsischen Gesetzentwurf. Zudem habe die absolute Gleichbehandlung von Parteien keinen Verfassungsrang, könne also aus gewichtigen Gründen verändert werden.
Das Problem: Um das Grundgesetz zu ändern, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Und Parteien und ihre Privilegien sind in der deutschen Verfassung mit Blick auf Nazi-Deutschland streng geschützt. So soll jedwede staatliche Diskriminierung politischer Parteien und Gesinnungen verhindert werden. Erst ein Verbot einer Partei durch das Verfassungsgericht führt normalerweise zur Ächtung und zum Wegfall sämtlicher Privilegien.
Auch den Vertretern aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Niedersachsen ist klar: Juristische Schnellschüsse könnten fatale Folgen haben. Denn nachdem das Verbot der NPD bereits zwei Mal gescheitert ist, wäre jede weitere Niederlage gegen die Partei ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat. Aus den Reihen der Grünen und der Linkspartei kommt deshalb Kritik und Skepsis, ob das Vorhaben der Demokratie wirklich nützt.
Contra: Einfallstor für Missbrauch
Die Kritik trifft, findet Michael Koß. Der Parteienforscher von der Ludwig-Maximilians-Universität München hält die Bundesratsinitiativen für schlecht durchdachte "Schaufensterpolitik". Eine Einschränkung der Parteienfinanzierung sei "nicht umsetzbar". Der Grund: Die Schwelle zwischen demokratisch und verfassungsfeindlich zu definieren, sei alles andere als trivial. Im Interview mit der DW sagt Koß: "Das würde bedeuten, das Parlament muss künftig innerhalb der eigenen Reihen entscheiden, wer ein guter und wer ein schlechter Demokrat ist." Eine solche Entscheidung könne "juristisch nie wasserdicht" ablaufen und würde automatisch vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Das scheint die Befürworter der Initiativen nicht zu schrecken.
Parteienforscher Koß betrachtet den Vorstoß der Bundesländer aber noch aus einem weiteren Grund mit Sorge. Er öffne späterem Missbrauch die Tür. Schließlich sei nicht ausgeschlossen, dass nach US-amerikanischem Vorbild auch in Deutschland Populisten und Extremisten eines Tages demokratisch gewählt die Parlamentsmehrheit stellen könnten. "In einem solchen Fall könnte die Einschränkung der Parteienfinanzierung auch als politisches Instrument missbraucht werden, um missliebige Parteikonkurrenz klein zu halten", befürchtet der Forscher. Die Befürworter der Initiative vertrauen auch in diesem Fall auf das Bundesverfassungsgericht, das einen Missbrauch zu verhindern wüsste - so hoffen sie zumindest.
Lohnt sich die "Lex NPD" noch?
Doch ist die NPD tatsächlich noch eine wirkliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Ordnung? Viele bezweifeln das. Die Partei leidet unter Mitgliederschwund, Splittergruppen meutern. Viele im rechten Spektrum wenden sich deshalb mit Entzücken der Alternative für Deutschland (AfD) zu. Die eilt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg - und duldet im bürgerlichen Korsett auch einzelne Mitglieder, die mit rechtsextremen Parolen provozieren. Kämpfen die Bundesländer also an der falschen Front für Demokratie und Rechtsstaat?
Eine Entscheidung, ob der NPD tatsächlich das Staatsgeld gestrichen wird, liegt noch in weiter Ferne. Erst werden weitere Ausschüsse beraten. Dann wird sich im nächsten Schritt der Deutsche Bundestag damit befassen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, er wolle die Handlungsspielräume des Gesetzgebers "sorgfältig prüfen". Ob das vor der Bundestagswahl noch gelingt, ist fraglich.