Passgenaue Implantate verschwinden spurlos
20. November 2011Es ist weiß, viereckig, hat eine feine Gitterstruktur, ist etwa so groß wie eine Kreditkarte und einen halben Zentimeter dick. Im Grunde ähnelt das Implantat, das bei einem Schädelmodell ein Loch am Hinterkopf verschließt, einem netzartigen Flicken, der dort festgeklebt wurde. Speziell ist die Beschaffenheit des Materials, das aus zwei Komponenten besteht. Die eine ist das Polymer Polylaktid. "Ein normal kaufbares medizinisches Polymer. Das wird verarbeitet mit medizinisch zugelassenem Beta-Tricalciumphosphat", erklärt Diplom-Physiker Lucas Jauer vom Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen. "Die beiden Komponenten, Polylaktid und Beta-Tricalciumphosphat, werden gemahlen und gemischt, sodass nach dem Aufbau des Implantats gewährleistet ist, dass im ganzen Implantat beide Werkstoffe gleichmäßig verteilt sind."
Eine gute Verteilung beider Komponenten ist wichtig für das Knochenwachstum, denn Polylaktid und Beta-Tricalciumphosphat wirken anregend. Der Knochen wächst von den Seiten in die Porenstruktur des Implantats ein. Die Poren im Implantat geben die Wachstumsrichtung vor und je mehr Knochen einwächst, umso mehr zersetzt sich das Implantat mit der Zeit. Auch die Schrauben und anderen Befestigungsstrukturen, mit denen es zunächst am Knochen fixiert werden muss, können aus resorbierbarem Material hergestellt werden. Eine geniale Lösung, die den Einsatz von Metallplatten und -schrauben bei Knochenbrüchen – zumindest in bestimmten Bereichen des Skeletts – irgendwann überflüssig machen könnte.
Für Extremitäten noch zu instabil
Allerdings werden die Implantate bisher nur im nicht-lasttragenden Bereich des Skeletts getestet, also zum Beispiel im Schädel oder im Jochbeinbereich. Für Anwendungen im lasttragenden Bereich, zum Beispiel im Kiefer oder in den Extremitäten, sind die Implantate noch nicht stabil genug.
Konstruiert werden die Implantate am Computer. Aus der Klinik bekommen die Techniker einen CT- oder MRT-Scan der Verletzung. Mit dem Laser wird vor der Operation aus Rohmaterial das passende Implantat entworfen, individuell angepasst und dem Chirurgen zur Verfügung gestellt. "Mit dem Laser kann man geschlossene Hohlräume herstellen. Das geht mit mechanischen Verfahren nicht", erläutert Ingenieur Martin Wehner vom Fraunhofer ILT die Vorzüge der Lasertechnik. "Es können Materialien bearbeitet werden, die mechanisch zum Teil sehr schwer zu bearbeiten sind. Hartmetalle oder aber sehr weiche, flexible Materialien. Da hat der Laser wesentliche Vorteile."
Enge Zusammenarbeit der Institute
Entstanden ist die Idee nicht allein am Institut für Lasertechnik, sondern in enger Zusammenarbeit mit dem Forschungsgebiet Biomaterialforschung und der Klinik für Plastische Gesichtschirurgie am Uniklinikum Aachen. Dort sollen die Implantate später auch eingesetzt werden, die besonders bei noch im Wachstum befindlichen Patienten große Chancen bieten. "Gerade bei Kindern sind die bioresorbierbaren Implantate eine interessante Sache", bestätigt Lucas Jauer. "Denn wir reden hier von einer Art mitwachsendem Implantat und das ist für Kinder besser geeignet als eine Metallplatte, die alle paar Monate oder Jahre gewechselt werden müsste."
Im Tierversuch haben die Implantate bereits sehr gute Ergebnisse geliefert. Allerdings befindet sich der Prozess noch mitten in der Entwicklung: Die Herstellung von Massenware für die Klinik ist noch ein gutes Stück entfernt. Bis das erste resorbierbare Implantat tatsächlich in den Schädelknochen eines Menschen eingesetzt wird, werden daher wohl noch drei bis vier Jahre vergehen.
Autor: Andreas Sten-Ziemons
Redaktion: Tobias Oelmaier