"Pegida" ins Netz gegangen
12. Dezember 2014Montags ist Demo-Tag in Deutschland. Seit der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989, die maßgeblich durch die "Montagsdemonstrationen" in Leipzig und später auch in anderen Städten Ostdeutschlands auf den Weg gebracht wurde, werden in Deutschland montägliche Demonstrationen organisiert - gegen Hartz IV und Sozialabbau, gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, gegen den Krieg. Große Menschenmassen fanden dabei zuletzt nur selten zusammen, manchmal versammelten sich ein paar Dutzend, manchmal ein paar Hundert Menschen zu unterschiedlichen Kundgebungen.
Seit Oktober 2014 trifft sich eine neue Gruppierung zu einem montäglichen "Abendspaziergang" in Dresden: "Pegida - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" nennen sie sich. Zum ersten Protestmarsch am 20. Oktober 2014 versammelten sich etwa 350 Menschen. Seitdem stieg die Teilnehmerzahl wöchentlich auf zuletzt etwa 10.000 an.
Schnelle Mobilisierung über das Netz
Zu den Protesten aufgerufen wird unter anderem über die offizielle Pegida-Seite bei Facebook. Dort hat die Bewegung inzwischen mehr als 40.000 Fans. "Das Internet ist für diese Bewegung ein ganz zentrales Instrument, vor allem die sozialen Netzwerke", sagt Felix M. Steiner, freier Journalist mit dem Schwerpunkt extreme Rechte und Protest. "Gerade Facebook mit den verschiedenen Möglichkeiten von Gruppen und Diskussionen ist da ganz entscheidend. Man kann für sehr wenig Geld breit kommunizieren. Man legt innerhalb von zwei Minuten eine Seite an und kann dort alle Informationen an die Menschen herausgeben."
Doch die Informationen müssen sich auch verbreiten. "Pegida" ist das erstaunlich gut gelungen - auch durch eine breite Unterstützung aus dem rechten Lager. Ob NPD, Pro NRW, Die Rechte oder weite Teile der AfD: Alle sehen in "Pegida" die Möglichkeit, für ihre Interessen zu werben. Bei Facebook mobilisieren auch sie ihre Anhänger und rufen dazu auf, an dem Protestmarsch in Dresden und den Ablegern in verschiedenen deutschen Städten teilzunehmen. "Jetzt schwappt die patriotische Protestwelle von Sachsen nach NRW! teilen +++ teilen +++ teilen" heißt es in einem Aufruf der NPD zur Demonstration "Bogida" in Bonn.
Facebook gibt auch Auskunft darüber, wo die Initiatoren von "Pegida" politisch stehen. Lutz Bachmann, vorbestrafter Frontmann der Initiative, hat auf seiner Facebookseite die NPD, Pro NRW und die AfD mit "Gefällt mir" markiert.
Breites Spektrum an Protestlern
Unter den "Mitläufern" des Demonstrationszuges sind aber nicht nur Rechtsextremisten und Neonazis, sondern auch sogenannte "Wutbürger", die eine diffuse Angst vor Zuwanderung und einer Ausbreitung des Islam verspüren. Wogegen oder wofür man genau demonstriert, dazu hat wohl jeder Teilnehmer seine eigene Meinung. "Die sind gegen die Politbonzen, die sind gegen die derzeitige Demokratie, die sind gegen Asyl, die sind dann nicht nur gegen radikale Islamisten, sondern plötzlich auch allgemein gegen den Islam", so Felix M. Steiner.
Doch gerade bei diesem breiten Spektrum an unterschiedlichen Strömungen könnte das Internet auch zu einem Auseinanderbrechen von "Pegida" führen. Seit die Initiatoren am 10. Dezember ein "Positionspapier" auf Facebook dazu veröffentlicht haben, wofür "Pegida" offiziell eintritt, tobt unter den Sympathisanten im Netz eine Diskussion darüber, ob man sich mit diesen Zielen überhaupt identifiziert. "Ich verstehe nicht mehr, wofür ich nach Dresden kommen soll. Um gegen die Islamisierung Deutschlands zu protestieren (laut Titel), oder um für mehr Geld für Asylbewerber zu demonstrieren (laut Positionspapier)???" schreibt ein Nutzer. "Wichtig ist erst mal das überhaupt demonstriert wird und die Multikulturellen nicht denken sie hätten das alleinige Recht zur Meinungsfreiheit!!! Der Rest kann sich dynamisch verändern !!!" schreibt ein anderer.
Starke Rechte in Dresden
Zudem scheint es generell fraglich, ob sich der Dresdner Protestmarsch auch auf andere deutsche Städte ausweiten lässt. Zu "Dügida" in Düsseldorf kamen anstatt der erwarteten 2000 Demonstranten gerade einmal 400 Menschen, in Kassel waren es 80 und bei "Wügida" in Würzburg nur 35. "Dass die Bewegung in Dresden so stark ist, ist sicher kein Zufall", meint Steiner. "In Sachsen saß bis vor Kurzem die NPD im Landtag und es gibt eine der größten AfD-Fraktionen."
Im Netz formiert sich inzwischen die Gegenbewegung. Bei Facebook und auf Twitter haben es sich die Initiatoren von Pegidawatch zur Aufgabe gemacht, kritisch über die Hintergründe der Organisation zu berichten. Mit dem Hashtag #nopegida kennzeichnet die Twitter-Gemeinde ihre Tweets zu dem Thema. Die kommenden Montage werden zeigen, ob auch bei den montäglichen Demonstrationen eine große Mehrheit auf der Straße gegen "Pegida" Stellung bezieht.