"Pegida" und die Politik
11. Dezember 2014Die Reaktionen zeigen, wie unsicher die deutsche Politik angesichts dieses neuen Phänomens ist, selbst innerhalb einer Partei. So rief Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zum Dialog mit den Anhängern auf. "Wir müssen den Leuten die Unsicherheit nehmen", sagte der Politiker der Zeitung "Die Welt". Er bezog sich damit auf die offenbar permanent bestehende Angst der Bürger vor Überfremdung durch weitere Einwanderer und Flüchtlinge. So müsse deutlicher gemacht werden, dass es sich bei den Asylsuchenden überwiegend um Menschen handele, die aus dem Bürgerkrieg in Syrien, dem Irak oder aus anderen Krisenregionen geflohen seien, so Tillich.
Sein Parteikollege, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), bezeichnete die Gruppe hingegen als "Unverschämtheit". In einem Interview mit dem Nachrichtensender Phoenix sagte er, es gebe keine Gefahr der Islamisierung. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kritisierte die Anhänger der "Pegida" scharf. "Diese Leute sind keine Patrioten, sondern gefährliche nationalistische Kräfte." Sie bedienten sich "einer kruden Mischung aus rechtspopulistischen, ausländerfeindlichen Parolen".
Sorge über Fehlentwicklungen der Politik
"Man muss die Bewegung ernst nehmen", sagt Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitiker im DW-Interview. "Insbesondere die Motive der Teilnehmer, die nichts mit rechtsradikalem Gedankengut zu tun haben oder zu tun haben wollen." Es sei ein fundamentaler Unterschied, ob man sich Sorgen um die Zukunft des Landes mache und vielleicht finde, dass die Integrationskraft der Kommunen angesichts der anhaltend hohen Zuwanderung überfordert werde oder ob man "Ausländer raus" brülle. Letzteres dürfe unter keinen Umständen geduldet werden. Dass die Bewegung so schnell einen solchen Zulauf bekommen hat, überrascht den CDU-Politiker nicht. Er habe schon seit vielen Jahren beobachtet, dass sich viele Menschen "Sorgen über die Fehlentwicklungen in unserem Land machen".
Besonders viele Sorgen scheinen in dieser Hinsicht die Menschen in Sachsen zu haben. Denn hier ist die "Pegida" bisher am Erfolgreichsten. Während in Dresden mehrere Tausend marschierten, kamen zum Düsseldorfer Ableger "Dügida" am Montag (08.12.2014) nur etwa 400 Demonstranten. "Ich schätze, dass allein in Düsseldorf mehr Ausländer, mehr Muslime leben, als in ganz Sachsen", meint Wolfgang Bosbach dazu. Offensichtlich sehe man diese Thematik im Rheinland viel entspannter als in Dresden.
"Pegida": Nur ein Phänomen in den neuen Bundesländern?
In Sachsen liegt der Ausländeranteil bei 2,2 Prozent. Ein Grund für die Ressentiments gegenüber Einwanderern sei womöglich die grenzüberschreitende Kriminalität, so der CDU-Politiker. Seit der Öffnung der EU-Außengrenze nach Osten sei diese gestiegen. "Die Menschen fragen sich: Warum lässt uns die Politik hier allein?" Wenn die Politik dieses Thema tabuisiere, müsse man sich nicht wundern, wenn radikale Kräfte antreten. Bosbach bezieht sich dabei auf die rechtsextreme NPD und auf die AfD (Alternative für Deutschland). Deren Parteichef, Bernd Lucke, hatte sich auf seiner Facebook-Seite sehr verständnisvoll für die "Pegida"-Anhänger geäußert. Viele Menschen machten sich berechtigte Sorgen über die Ausbreitung von radikalem islamistischem Gedankengut. Es sei gut, dass die Bürger diesen Sorgen Ausdruck verliehen. Luckes Parteikollege, der Familien-Anwalt Alexander Heumann, war auf der "Dügida" als Redner aufgetreten. Zugehört hatte ihm dort auch der NPD-Landesvorsitzende Claus Cremer. Auch im politischen Meinungskampf gebe es Grenzen, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) jüngst in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "Spiegel Online". Alle politischen Parteien sollten sich klar von diesen Protesten distanzieren.
Den Radikalen die Themen wegnehmen
Wolfgang Bosbach (CDU) glaubt, dass auch die veränderte Situation der neuen Bundesländer eine Rolle spielen könnte. Während man es in Westdeutschland durch Gastarbeiter und Kriegsflüchtlinge schon seit Jahrzehnten gewohnt sei, mit Menschen anderer Hautfarbe und Religion zusammenzuleben, sähen sich die Bürger im Osten Deutschlands verstärkt erst seit der Wiedervereinigung vor 25 Jahren damit konfrontiert, so der Politiker. Von Bedeutung sei auch, dass die Bindung an die etablierten Parteien nicht so groß sei, wie in den alten Bundesländern. "Vielleicht hat man noch nicht das Vertrauen, dass die demokratischen Parteien unseres Landes die Kraft haben, vielleicht auch den Mut haben, die Probleme offen anzusprechen und zu lösen." Nur indem man Probleme löse, nehme man den Radikalen die Themen.
Ende Oktober dieses Jahres hatte die "Pegida" zum ersten Mal ihre Banner durch die Dresdner Straßen getragen. 200 Anhänger der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" liefen damals mit. Schweigend. Reden war nicht erwünscht. Das hat sich - nur sechs Wochen später - nicht geändert. Inzwischen haben sich aber etwa 10.000 Menschen den sogenannten Spaziergängen der Bewegung angeschlossen, um "gewaltfrei und vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden" zu demonstrieren. In ganz Deutschland haben sich zudem inzwischen Ableger der "Pegida" gebildet. Düsseldorf, Kassel, Rostock, Würzburg, Bochum, Bonn, Müchen und sogar im ländlichen Ostfriesland. Im Gegensatz zu den Vorläufern - den Protesten der "HoGeSa"(Hooligans gegen Salafisten) - verlaufen die "Pegida"-Veranstaltungen immer friedlich. Doch auch hier sollen Menschen mitmischen, die sich nicht nur einfach Sorgen um die Zukunft der Bundesrepublik machen. Auf der "Dügida" (Düsseldorfer Bürger gegen die Islamisierung des Abendlandes) war zu hören: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen". Laut Experten eine klassische Parole der NPD.