Organisierte Wut
25. Januar 2015André E. ist ein auffälliger Mann. In seinen Ohren trägt er große Löcher - geweitet durch schwarze Ringe. Deren Name ist so martialisch wie ihr Aussehen: Fleischtunnel. Seine beiden Handrücken sind vollständig tätowiert, der eine mit einem Totenschädel. Wenn man André E. nicht kennt, wirkt er einschüchternd. Wenn man ihn kennt, gefährlich. Denn er steht in Deutschland seit 2013 vor Gericht - als mutmaßlicher Helfer der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) um Beate Zschäpe. Er soll einer ihrer engsten Weggefährten gewesen sein. Verbunden hat sie der Hass: auf Einwanderer, auf Muslime.
Und seinen Hass macht er öffentlich. Mitte Januar 2015 ging André E. in München nach dem NSU-Prozesstag direkt vom Gerichtssaal aus auf eine Demonstration der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, gemeinsam mit befreundeten Kameraden der bayerischen Neonazi-Szene.
Seit einigen Wochen schon bilden deren gut organisierte Netzwerke einen eigenen starken Block im Rahmen der Aufmärsche. Unter ihnen befinden sich Funktionäre rechtsextremer Parteien, Neonazis aus der gewaltbereiten Kameradschaftsszene oder verurteilte Rechtsterroristen. Wie Karl-Heinz Statzberger, der im Jahr 2003 einen Bombenanschlag auf eine Münchener Synagoge plante.
Schnittmenge Rassismus
Wenn montags die Aufmärsche beginnen, formieren die Neonazis eine Art Nachhut. Kehlig röhren sie die Schlachtrufe der rechten Szene: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!" Viele "normale" Bürger rufen begeistert mit. Gestört fühlt sich von der martialischen Präsenz des rechten Blocks offensichtlich niemand.
Die Szene wiederholt sich in vielen Städten mit Pegida-Märschen. Im Norden der Republik beteiligt sich die Führung der rechtsextremen Partei NPD an den Kundgebungen, in Berlin tragen Neonazis ihre Gesinnung durch Szenekleidung mit NS-Symbolik zur Schau. Und im Brennpunkt der Proteste, in Dresden, treten Mitglieder rechter und gewaltbereiter Hooligan-Gruppen als Ordner auf. Nirgendwo scheinen die Veranstalter ein Problem mit den rechten Teilnehmern zu haben: Entweder will niemand sie gesehen haben oder ihre Beteiligung wird einfach klein geredet.
Warum gelingt es den Gruppen der extremen Rechten, so erfolgreich an die Pegida-Bewegung anzudocken? Eine aktuelle Untersuchung der Technischen Universität Dresden weist ähnliche Überzeugungen von Neonazis und teilnehmenden "Wutbürgern" nach: generelle Unzufriedenheit mit der Politik, Ablehnung des Islam und rassistische Vorurteile.
Die rechte Szene versucht, das für sich zu nutzen. Bislang erfolgreich. Die Allianz mit dem Bürgertum ist allerdings brüchig. Denn die meisten Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung lehnen Gewalt als politisches Mittel ab. Gewalt aber bleibt ein Kernmerkmal der organisierten Neonazis.