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Peking schweigt - und blockt

Esther Felden / Yunching Chang22. Januar 2014

Mithilfe von Briefkastenfirmen sollen chinesische Spitzenpolitiker und Verwandte in großem Stil Geld in Steueroasen gehortet haben - darüber berichten Medien aus aller Welt. In China selbst findet das Thema nicht statt.

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Chinesische Flagge im Wind (AP Photo/Eugene Hoshiko)
Bild: AP

Die Vogelgrippe, die chinesisch-japanischen Beziehungen und der Ausnahmezustand in Bangkok - diese und andere Themen behandelte die chinesische Zeitung "Global Times" an diesem Mittwoch (22.01.) auf ihrer Website. Ähnlich sah es auf der Seite der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua aus. Nichts steht dort über die jüngsten Enthüllungen aus den sogenannten Offshore-Leaks, die sich gezielt auf China beziehen. Die Offshore-Leaks sind ein insgesamt 260 Gigabyte umfassender Datenberg, der dem in Washington ansässigen Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) - dem Mitglieder aus mehr als 60 Ländern angehören - im Jahr 2011 anonym zugespielt wurde.

Die VeröffentlichungOffshore Leaks beinhaltet schwere Vorwürfe gegen diverse Mitglieder der kommunistischen Führung in Peking. Demnach wickelt Chinas Machtelite seit Jahren heimlich lukrative Geschäfte über Scheinfirmen in Steueroasen ab. Auch der engste Führungskreis ist betroffen. Und die Liste ist lang: Darauf stehen beispielsweise ein Angehöriger des amtierenden Präsidenten Xi Jinping sowie Verwandte seines Amtsvorgängers Hu Jintao. Auch Angehörige der ehemaligen Regierungschefs Wen Jiabao und Li Peng sollen in geheime Transaktionen in der Karibik verwickelt sein. Dazu kommen zahlreiche Parlamentsmitglieder, Führungskräfte und einige der reichsten Männer und Frauen des Landes.

Großangelegte Recherche unter schwierigen Bedingungen

Seit Juli 2013 sichteten Journalisten in Europa, den USA, Hongkong und Taiwan Datenberge speziell zu China - nachdem das Land bei den bisherigen Offshore-Leaks-Veröffentlichungen bewusst ausgeklammert worden war. Grund: Eine auffallend große Zahl der gelisteten Namen war chinesisch, das Konsortium beschloss daher, die Volksrepublik separat zu untersuchen. Aus Deutschland waren Kollegen der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks bei der Recherche mit dabei.

Handschlag zwischen Xi Jinping und Hu Jintao (Foto: Pang Xinglei)
Auch Angehörige von Präsident Xi Jinping und seinem Vorgänger Hu Jintao sollen mit auf der Liste stehenBild: picture alliance/Photoshot

"Im ersten Arbeitsschritt haben wir Listen mit Leuten erstellt, die uns interessieren könnten: Verwandte von hochrangigen Politikern, Milliardäre oder auch Showgrößen", erklärt Christoph Giesen von der Süddeutschen Zeitung gegenüber der Deutschen Welle. Die betreffenden Namen glichen die Redakteure dann mit den Offshore-Dokumenten ab. Nach ICIJ-Angaben liegen Informationen über 122.000 Briefkastenfirmen und Trusts aus Steueroasen vor, im Zusammenhang damit tauchten insgesamt 130.000 Namen auf. "Und davon sind mehr als 35.000 chinesische Namen", so Giesen weiter.

Billionen-Vermögen außer Landes gebracht

Die Arbeit sei nicht einfach gewesen, berichtet der Journalist. Eine besondere Herausforderung bestand darin, die Namen tatsächlich zu verifizieren und eindeutig zuzuordnen. "Sie tauchten immer nur in Umschrift auf, nicht in chinesischen Schriftzeichen." Von Anfang an vermuteten die Journalisten, dass ihre Recherchen von der chinesischen Führung nicht unbemerkt bleiben würde. Aus Sicherheitsgründen fand daher der Austausch der Gruppe nur über verschlüsselte Mails und ein verschlüsseltes Forum auf einem deutschen Server statt. Das Ergebnis übertraf sämtliche Erwartungen. "Wir haben die absoluten Top-Shots dabei, die wichtigsten Leute der vergangenen 30 Jahre. Das ist schon einmalig", meint Christoph Giesen.

Symbolbild für Steueroasen (Foto: Fotolia/Trueffelpix)
Beliebte Finanzplätze in der Karibik sind unter anderem die Britischen Jungferninseln oder die Cook-IslandsBild: Fotolia/Trueffelpix

Der ICIJ- Veröffentlich zufolge sind in der Datensammlung insgesamt mehr als 21.000 Offshore-Firmen von Kunden aus der Volksrepublik und Hongkong gelistet, unter anderem auf den Britischen Jungferninseln, den Cook-Inseln oder auf Samoa. Schätzungen zufolge wurden seit dem Jahr 2000 Gelder und Firmenanteile im Wert von bis zu knapp drei Billionen Euro aus China verschoben.

Peking sperrt Internetseiten

Mit dem Bild, das die chinesische Regierung gern selbst von sich zeichnet - das einer volksnahen Führung, die die einfachen Leute vertritt - passen die Enthüllungen des ICIJ nicht zusammen. Wie unangenehm die Vorwürfe für Peking tatsächlich sind, zeigt sich nicht nur daran, dass die Staatsmedien nicht darüber berichten, sondern auch daran, dass die KP versucht, Informationen über das Thema gar nicht erst ins Land zu lassen. So wurden beispielsweise Internetseiten der internationalen Offshore-Leaks-Medienpartner blockiert. Neben der Süddeutschen Zeitung ist auch der andere deutsche Vertreter, der Norddeutsche Rundfunk, betroffen.

Die SZ hatte ihren Exklusiv-Bericht nicht nur in deutscher Sprache ins Netz gestellt, sondern auch eine chinesische Version veröffentlicht. Diese allerdings können Internet-User in China nicht anklicken. Denn schon in der Nacht auf Mittwoch (22.01.) ergriff China Maßnahmen. "Seitdem wird die Online-Ausgabe der SZ in China zensiert. Dies betrifft die internationale Version und die deutsche Seite", schreibt die SZ auf ihrer Internetseite.

Eine Frau betrachtet auf einem Bildschirm die Website eines internationalen Netzwerks für investigativen Journalismus (ICIJ) (Foto: Roland Schlager / APA)
Journalisten aus über 60 Ländern sind Teil des Konsortiums Investigativer Journalisten (ICIJ)Bild: picture alliance/APA/picturedesk.com

Auf einer Pressekonferenz des chinesischen Außenministeriums bezeichnete Sprecher Quin Gang die Offshore-Leaks-Medienberichterstattung als "aus Lesersicht nicht überzeugend". Die politische Führung müsse sich nicht für die Geschäfte ihrer Familien entschuldigen. Während das Thema also in China quasi nicht existiert, füllen die Offshore-Enthüllungen in Hongkong die Zeitungen und Online-Portale. "Das Publikum hier ist nicht besonders überrascht", sagt Serenade Woo, Asien-Pazifik-Korrespondentin der International Federation of Journalists, im Gespräch mit der DW. Der Report vertiefe nur bereits bekannte Nachrichten. "China ist ein schwarzes Loch, über dessen System man nichts weiß, daher wundern wir uns nicht über so etwas."

Neue Schlagzeilen im Laufe der Woche

Die "Tricks der Roten Prinzlinge", wie die SZ titelt, werden in dieser Woche wohl noch mehr Schlagzeilen produzieren. Denn das ICIJ hat noch weitere brisante Informationen zusammengetragen, kündigt Christoph Giesen an."Wir werden in den nächsten Tagen mit weiteren Enthüllungen zu China nachlegen."