Piraten auf Erfolgskurs
26. März 2012"Klar machen zum Ändern!“ Der Wahlslogan soll bewusst an den Schlachtruf der Freibeuter aus vergangenen Jahrhunderten erinnern. Und die Piraten haben damit anscheinend in Deutschlands kleinstem Flächenstaat einen Nerv getroffen. Die erst 2006 gegründete Partei ist dort bei der Landtagswahl zum ersten Mal angetreten und hat auf Anhieb 7,4 Prozent der Wählerstimmen errungen. In der Vergangenheit haben die Piraten vor allem mit Themen aus der Netzwelt auf sich aufmerksam gemacht. So setzen sie sich für mehr Informationsfreiheit und einen besseren Schutz privater Daten im Internet ein. "Das sind Themen, die bei den traditionellen Parteien bisher zu kurz gekommen sind", so erklärt der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin den Wahlerfolg gegenüber der DW.
Die Gruppierung will sich allerdings nicht als Zusammenschluss von Netzaktivisten abstempeln lassen, sondern als vollwertige politische Organisation wahrgenommen werden. "Es gibt in Deutschland den Wunsch nach einer sozialliberalen Partei, und die Leute im Saarland haben erkannt, dass wir diese Partei sind", sagt Aleks Lessmann, Sprecher der Piraten auf Bundesebene, im Interview mit der DW. Ein umfassendes Programm gibt es allerdings erst seit vergangenem Dezember. Die Forderungen: ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, die komplette Trennung von Staat und Kirche und die Freigabe aller Drogen. "Wir stehen auch für das Recht auf kostenlose Bildung und den Schutz von Tieren", so Lessmann. Auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Finanzpolitik sei man noch dabei, gemeinsame Positionen auszuloten. "Aber das kommt alles noch."
Ursprung in Schweden
Gerade diese programmatische Offenheit ist nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Gero Neugebauer das Geheimnis des Erfolgs der Piraten: "Sie sagen nicht von vornherein: Wir wissen alles. Und wenn ihr etwas nicht versteht, liegt es daran, dass ihr dumm seid. Nein, sie sagen: Wir lernen das dann zusammen." Inzwischen haben die Piraten in Deutschland rund 22.000 Mitglieder. Die sind meist unter 35, interessieren sich für netzpolitische Themen und sind auf der Suche nach einer Alternative zu den etablierten Parteien. Die Spitzenkandidatin im Saarland, Jasmin Maurer, ist gerade mal 22 Jahre alt und kommuniziert mit ihren Parteifreunden vor allem über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. "Ihr wart klasse", so ihr Twitter-Kommentar zum Wahlerfolg.
Ihren Ursprung haben die Piraten in Schweden. Dort hatte sich die Partei vor sechs Jahren als Protestbewegung gegründet, um das Urheberrecht zu reformieren. Damals hatte die schwedische Staatsanwaltschaft die Website "Pirate Bay" ins Visier genommen, auf der Nutzer Musik und Videos tauschen können. Die Unterhaltungsindustrie hatte dagegen geklagt, weil sie finanzielle Verluste durch illegale Downloads fürchtete. Um die virtuelle "Piratenbucht" zu verteidigen, gründeten schwedische Aktivisten die Partei. Bald darauf gab es Ableger in mehreren europäischen Ländern, darunter auch Deutschland. Hier machte sie sich vor 2008 einen Namen, als ihr Unterlagen zur illegalen Überwachung von Internettelefonaten durch das bayerische Justizministerium zugespielt wurden. Kurze Zeit später sorgten die Piraten mit einer Online-Petition gegen Zensur im Internet für Schlagzeilen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Bald gewann die Partei erste Mandate in Kreistagen und Stadträten. Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte sie immerhin zwei Prozent. Im vergangenen September wurden die Piraten zum ersten Mal in eine Volksvertretung auf Landesebene gewählt: ins Abgeordnetenhaus von Berlin.
Kurs auf den Bundestag
Bei der Landtagswahl im Saarland konnte die Partei jetzt vor allem bei jungen Leuten punkten - 23 Prozent der Erstwähler machten ihr Kreuz bei den Piraten. Aber auch die Anhänger der etablierten Parteien ließen sich überzeugen. Nach einer Umfrage des Fernsehsenders ZDF konnte der Neuling jeweils 15 Prozent seiner Stimmen bei früheren Wählern der christdemokratischen CDU, der sozialdemokratischen SPD und der Linkspartei holen. Den Grünen warben sie sechs Prozent ihrer Unterstützer ab.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gleichzeitig Chefin der CDU ist, sagte, die Piraten seien ein wichtiger politischer Faktor, mit dem man sich auseinandersetzen müsse. "Mittelfristig müssen wir uns darauf einstellen, dass es sie gibt", so SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Für Koalitionsgespräche sei es allerdings noch zu früh. Grünen-Chef Cem Özdemir betonte, die Piraten müssten jetzt erst einmal beweisen, wofür sie stünden. Resonanz, über die sich die Piraten freuen. "Die anderen Parteien müssen jetzt mit uns rechnen", sagt Piratensprecher Lessmann: "Ich bin sicher, dass wir 2013 in den Bundestag einziehen."