Pkw-Nutzung geht erstmals zurück
18. August 2006Scheinbar unaufhaltsam stieg der Autoverkehr in allen westeuropäischen Ländern bisher von Jahr zu Jahr an. Doch 2005 gab es erstmals einen Rückgang. "Im letzten Jahr haben wir beobachtet, dass wirklich auch an der Fahrleistung gespart wird, also die durchschnittliche Fahrleistung je Pkw um drei Prozent zurückgegangen ist", sagt Hartmut Kuhfeld vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Davor war es immer noch so, dass sie stagniert hat oder nur ganz geringfügig zurückgegangen ist. Das heißt: Die Leute haben an anderer Stelle gespart, um sich eben das Benzin weiterhin leisten zu können."
Jahrzehntelang sinkende Preise
Ganz zu schweigen von den Jahrzehnten davor. Die gleiche Menge Kraftstoff war gemessen an der Kaufkraft immer billiger geworden. Musste man 1960 für einen Liter Normalbenzin im Schnitt 14 Minuten arbeiten, so hatte man das 1991 schon in 4 Minuten erledigt. Steigende Spritpreise in Pfennig und gleichzeitig mehr Fahrkilometer sind für Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung deshalb nur scheinbar ein Widerspruch.
"Zur Entwicklung der Mobilitätskosten kann man generell sagen: Die sind in den letzten Jahrzehnten relativ billiger geworden. Auch wenn man immer den Eindruck hatte: Es ist immer alles teurer geworden", erklärt er. "Aber gemessen an den Zahlen, die man noch 1950, 1960 hatte, ist das Autofahren über lange Jahre stabil und sogar noch leicht mit gesunkenen Preisen versehen worden."
Trend zu kleineren Fahrzeugen
Das ist vorbei. Marode Pipelines in Alaska, Konflikte im Nahen Osten, die hohe Nachfrage aus China und Indien und die Spekulation haben den Ölpreis in diesen Tagen auf über 70 Dollar je Barrel getrieben. Von Januar bis Dezember 2005 stieg der durchschnittliche Benzinpreis von 95 Cent auf 122 Cent. Da kann bei vielen das verfügbare Einkommen nicht mehr mithalten. Solche Autobesitzer sind es vor allem, die inzwischen auf einen Teil der Fahrten verzichten. Aber auch an vielen Fahrern von Mittel- und Oberklassewagen ist der höhere Spritpreis nicht vorübergegangen. Stephan Thun, Europachef des internationalen Marktforschungsunternehmens Maritz Research, hat im Auftrag von Autofirmen über 1200 Autobesitzer aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland befragen lassen. "Auch in den höheren Einkommensklassen wird heutzutage eben auf das kleinere Fahrzeug gewechselt für Fahrten, die man zu zweit oder mit der Familie macht", weiß er.
Wenn Autofahrer auf die steigenden Spritpreise reagieren, haben sie von Land zu Land zum Teil unterschiedliche Strategien. In Deutschland hört man doppelt so häufig wie in Frankreich, dass jemand auf längere Fahrten oder einen Urlaub verzichtet. Bei den Antworten aus Frankreich und Großbritannien hat der Marktforscher öfter gelesen, dass kurze Fahrten gestrichen werden, oder dass jemand seinen Arbeitsweg verkürzt. "Ganz besonders in Frankreich geben die Leute an, deutlich mehr auf Fahrten, die nicht wirklich essentiell sind, zu verzichten", sagt Thun. "In England greifen immer mehr Leute sogar zu drastischen Maßnahmen und suchen sich einen Arbeitsplatz, der näher am Wohnort liegt, um Sprit zu sparen."
Gefräßigere Diesel
In allen drei Ländern erhofft sich rund die Hälfte der Fahrer weniger Verbrauch von einem neuen Auto. Dabei geht zumindest in Deutschland der Trend weiterhin weg vom Benziner und hin zum Dieselmotor, der mit weniger und billigerem Kraftstoff zufrieden sein soll. Tatsächlich ist aber das Fahrzeug, mit dem der Käufer vom Autohaus zurückkommt, dann oft keineswegs sparsamer als das alte Auto.
Ausgerechnet bei den Dieselfahrzeugen zeigt die Kurve inzwischen sogar nach oben, hat der Experte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt. "In den letzten Jahren ist bei den Benzinern der Durchschnittsverbrauch kaum noch gesunken, und bei den Diesel-Pkw ist der Durchschnittsverbrauch sogar wieder gestiegen", sagt Kuhfeld. "Denn es werden immer größere Autos mit immer stärkeren Dieselmotoren gekauft."
Es ist also zu erwarten, dass bei einer Beruhigung auf dem Ölmarkt und steigender Kaufkraft vor allem der Dieselverbrauch wieder wächst. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezweifelt deshalb, dass die Bundesregierung die vereinbarte CO2-Minderung im Verkehrsbereich bis 2008 erreicht.