1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Plastik wird grün

16. Februar 2010

Weltweit wird immer mehr Kunststoff aus erneuerbaren Rohstoffen entwickelt – für Lebensmittelcontainer, Handy-Schalen oder Spielzeug. Der Einsatz von Pflanzenabfällen könnte die Produktion nachhaltig machen.

https://p.dw.com/p/Lz0V
Grüner Spielzeugmodell eines Lastwagens (Quelle: Green Toys Inc.)
Verpackungen, Handy-Schalen - oder Kinderspielzeug: Biokunststoffe finden immer mehr EinsatzbereicheBild: Green Toys Inc.

Plastik ist aus unserer Welt kaum mehr wegzudenken. Auch im Klimaschutz spielt dieser Grundstoff des modernen Lebens eine immer wichtigere Rolle. Eigentlich liegt das auf der Hand: Herkömmliches Plastik wird zumeist aus Erdöl hergestellt. Schätzungsweise vier Prozent der weltweiten Rohölvorräte gehen dafür drauf. Für jedes Kilogramm Plastik werden während der Produktion sechs Kilo CO2 in die Atmosphäre gepustet. Betrachtet man dazu die zügig schwindenden Ölvorkommen, dann ist schnell klar, warum grüne Alternativen zu herkömmlichem Kunststoff in den letzten Jahren so eine Erfolgsgeschichte hingelegt haben, besonders in der Verpackungsindustrie.

Bestseller durch "Bio"

Großaufnahme - gestapelte Zuckerrohrernte (Quelle: CC / Rufino Uribe)
Zuckerrohrreste sind eine Grundlage für grünen KunststoffBild: CC / Rufino Uribe

Grünes Plastik – oder "Bioplastik" – entsteht zumeist aus Pflanzen wie Zuckerrohr, Weizen, Mais oder Kartoffeln, aber auch Pflanzenöl. Von Handy-Verschalungen und Einweg-Geschirr über Schuhe und Windeln bis zu Einkaufstüten und Blumentöpfen gibt es kaum ein Haushaltsprodukt, für das nicht bereits Alternativen aus grünem Plastik in der Entwicklung sind.

Für Experten ist dies nur ein Aspekt der insgesamt steigenden Nachfrage an nachhaltigen Produkten, ausgelöst durch den Bio-Boom bei Lebensmitteln in den vergangenen Jahren. "Heute ist es viel besser ein 'Bio-Image' zu haben als ein konventionelles. Und Unternehmen schlagen Profit daraus", sagt Norbert Voell, Sprecher der Duales System GmbH – dem Betreiber des Abfall-Recyclingsystems "Der Grüne Punkt" in Deutschland. "Es ist natürlich viel besser zu wissen, dass man das Bio-Gemüse aus dem Supermarkt in einem Öko-Container gekauft hat, statt in der herkömmlichen Plastikverpackung."

Große Geschäfte

Auf diesen Trend haben auch die Plastikhersteller reagiert – und Millionenbeträge in grüne Forschung und Produktionsmethoden investiert. Zu den "Global Players" gehören hier unter anderen der US-Agrarkonzern Cargill, das italienische Unternehmen Novamont oder der deutsche Chemieriese BASF. Mais-basierte, biologisch abbaubare Kunststoffe wie Polylaktide sind bei einigen der größten Supermarktketten und Lebensmittelkonzernen wie Wal-Mart oder Coca-Cola bereits im Einsatz.

Grünes Plastik sorgt auch in Brasilien für große Geschäfte. Das Land ist der weltweit führende Zuckerproduzent, und der Erdölkonzern Braskem nutzt die boomende Zuckerrohr-Ethanol-Industrie des Landes, um Bioplastik herzustellen.

Plastik aus Zuckerrohr-Abfällen

Das wirft Fragen auf. Wird die Produktion von Bioplastik ebenso wie beim Biotreibstoff die Abholzung von Wäldern vorantreiben oder Lebensmittelernten verdrängen? "Die Argumente sind beim Thema Bioplastik ähnlich wie die im Zusammenhang mit Palmöl", sagt Voell und verweist auf Südostasien, wo großflächig Wälder gerodet werden, um Platz für lukrative Palmölplantagen zu schaffen.

Kleinere Projekte gehen neue Wege, um auf diese Bedenken einzugehen und trotzdem am Zuckerrohr-Boom teilzuhaben. Ein deutsch-brasilianisches Projekt am Senai-Climatec-Institut in Salvador de Bahia produziert Plastik, benutzt aber dafür lediglich Zuckerrohr-Abfälle, die in den Ethanol-Fabriken des Landes anfallen. Diese so genannte Bagasse wird normalerweise verbrannt, wobei große Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre gehen. Ziel ist, mit diesem Bagassen-Plastik künftig herkömmlichen Kunststoff in einem anderen großen Wirtschaftssektor des Landes zu ersetzen: der Automobilindustrie.

Verschiedene Verpackungsmaterialien (Quelle: FBAW e.V.)
Biokunststoffe könnten besonders in Verpackungen zum Einsatz kommenBild: FBAW e.V.

Noch immer ein kleiner Markt

Der Aufstieg des grünen Plastiks scheint unaufhaltsam. Doch im globalen Kunststoffmarkt bringt es die Bioversion bislang nur auf einen Anteil von weniger als einem Prozent. Der Industrieverband "European Plastics" geht davon aus, dass dieser Anteil in den nächsten Jahren auf nicht mehr als fünf bis zehn Prozent steigen wird.

"Das liegt an den hohen Produktionskosten, aber auch daran, dass Bioplastik im Vergleich zu herkömmlichem Kunststoff weniger gute Verarbeitungs- und thermo-mechanische Eigenschaften hat", sagt Michael Niaounakis, ein Experte für Polymere am Europäischen Patentamt in Den Haag.

Weniger Kohlendioxid?

Mann vor Pferdekopfpumpe (Quelle: dpa)
Erdöl ist für Plastik bislang eine Grundzutat. Bioplastik könnte dies ändernBild: dpa - Bildfunk

Experten sehen in Bioplastik echtes Potential, um Treibhausgasemissionen zu verringern und damit den Klimawandel zu verlangsamen. Der grüne Kunststoff punktet gegenüber dem herkömmlichen Plastik, weil er mit weniger Energie hergestellt werden kann und keine Giftstoffe enthält.

Zunächst bedarf es aber weiterer wissenschaftlicher Studien, um zu zeigen, wie nachhaltig Biokunststoffe wirklich sind.

"Die Tatsache, dass es aus erneuerbaren Ressourcen stammt, macht Plastik nicht automatisch besser für die Umwelt", sagt Gerhard Kotschik vom Bundesumweltamt. "Man muss den gesamten Produktionskreislauf betrachten. Erst dann lässt sich sagen, ob Bioplastik umweltfreundlicher ist als Kunststoff aus Erdöl."

Mit ihrer Zuckerrohr-Abfallverwertung haben die grünen Plastikproduzenten aus Salvador de Bahia eine erste positive Antwort darauf geliefert.

Autorin: Sonia Phalnikar (rri)
Redaktion: Klaus Esterluss