Plastikmüll-Export nach Asien in der Kritik
28. Juni 2019Chinas Entscheidung hatte sich schon seit längerem angebahnt, zu Jahresbeginn 2018 trat sie in Kraft: Es wurden keine Importe von Plastikabfall mehr ins Land gelassen. Das hatte massive Auswirkungen auf den globalen Handel mit diesem umstrittenen "Gut": Die Gesamtexporte der 21 Hauptexporteure gingen von 1,1 Millionen Tonnen (pro Monat!) Mitte 2016 auf 500.000 Tonnen Ende 2018 zurück.
Im Falle der ASEAN-Länder, mit dem Löwenanteil bei Malaysia, Thailand, Vietnam und Indonesien, sah das genau umgekehrt aus: Diese vier Länder wurden zu den Hauptabnehmern von Plastikabfall zwischen Mitte 2017 und Mitte 2018. Ihre Einfuhren nahmen um über 170 Prozent zu, von rund 840.000 auf rund 2,3 Millionen Tonnen! Diese Mengen gingen zwar Mitte 2018 aufgrund von temporären Maßnahmen gegen die umgeleiteten Abfallströme wieder leicht zurück.
Menschen und Umwelt leiden unter Müllimporten
Dennoch konstatierte im Vorfeld des ASEAN-Gipfels Ende Juni in Bangkok der Greenpeace-Vertreter aus den Philippinen: "Leider bleibt die ASEAN-Region nach Chinas Verbot von 2018 die bevorzugte Destination für Abfallentsorgung aus dem Ausland. Der Handel mit Plastikabfall und Elektroschrott geht unter Ausnutzung von legalen Schlupflöchern weiter, unter dem Deckmantel von 'Recycling' und 'Wiedergewinnung'. Dabei endet ein großer Teil der importierten Abfalls auf Deponien oder wird illegal verbrannt."
Die üblen Folgen für Mensch und Umwelt hat Greenpeace im Falle Malaysias dokumentiert. Demnach hat auch ein temporären Importstopp vom Juli 2018 und die Schließung von 30 illegalen Verwertungsbetrieben wenig daran geändert, dass Plastikmüll auf Hunderten wilden Deponien gelagert beziehungsweise verbrannt wird, mit entsprechenden giftigen Emissionen.
Die Mehrzahl der malaysischen Verwertungsbetriebe operiere illegal, sagt Heng Kiah Chun von Greenpeace Malaysia gegenüber der DW. Die von der Regierung vergebene Importlizenz werde von "verantwortungslosen Leuten missbraucht, um verunreinigte und minderwertige Plastikabfälle zu importieren." Und sowohl legale wie illegale Recycling-Betriebe beschäftigen Subunternehmer, denen sie die Schuld an unsachgemäßer Behandlung der Abfälle geben, sagt der Greenpeace-Sprecher.
Länder durch globale Handelsströme überfordert
Dass der eigentlich zum Recycling bestimmte Plastikabfall zum großen Teil illegal entsorgt wird, ist für Thomas Probst, Kunststoffexperte beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), nicht überraschend: "Es wird eine große Bandbreite an Kunststoff eingekauft, teilweise sehr gute Qualitäten, aber teilweise auch mittlere oder schlechte Qualitäten. Und wenn Sie mittlere und schlechte Qualitäten einkaufen, die aus vielerlei Gründen weltweit nachgefragt und gehandelt werden, dann haben Sie eben einen relativ hohen Anteil an Nicht-Kunststoffen und schwer verwertbaren Kunststoffen dabei."
Letztere würden in Deutschland und Europa weitgehend über Müllverbrennungsanlagen entsorgt oder zu Ersatzbrennstoffen aufbereitet. "Diese Infrastruktur gibt es leider in diesen Ländern (ASEAN - Red.) nicht", so das nüchterne Fazit des Branchensprechers. Auch Greenpeace stellt fest, dass Malaysia – wie andere ASEAN-Länder auch– "kein adäquates System hat, um das stark gestiegene Importvolumen von Plastikabfall zu handhaben."
Man nehme die jüngsten drastischen Aktionen von Malaysia, Indonesien und den Philippinen sehr ernst, bei denen illegal deklarierte und unbrauchbare Abfalllieferungen zurückgeschickt wurden; das sei mindestens eine "gelb-rote Karte" gewesen, konstatiert Thomas Probst vom Branchenverband BVSE: "Es geht nicht an, dass wir unsere Kunststoffe in der Welt exportieren, um bestimmte Bereiche, für die wir noch nicht gesorgt haben, auszulagern." Auch in Deutschland stehe man in punkto Kunststoff-Recycling "erst am Anfang."
Globales Recycling - Illusion oder Lösung?
Aber während die Greenpeace-Aktivisten das globale Recycling-System als "kaputt und unreparierbar" verdammen, wollen Chemie-, Konsumgüter- und Recyclingindustrie laut Handelsblatt "auf globaler Ebene möglichst umfassende Kreislaufsysteme etablieren, um Kunststoffabfälle entweder energetisch zu nutzen oder wiederzuverwerten." Deshalb lehnen diese Konzerne auch einen vollständigen Import-Stopp für Plastik-Abfall ab, wie er von Greenpeace gefordert und von manchen Politikern im ASEAN-Raum erwogen wird.
Nicht nur Industrie-Vertreter sehen einen generellen Import-Stopp kritisch: "Damit würde man das Geschäft der guten Recycling-Unternehmen gefährden und hätte damit zukünftig weniger Optionen für eine nachhaltige Abfallwirtschaft. Und jede Regierung sollte mehr und nicht weniger Optionen haben", sagte Kakuko Nagatani-Yoshida vom UN-Umweltprogramm gegenüber der New York Times.
Schärfere Export-Kontrollen
Umweltschützer setzen jetzt große Hoffnungen in die im Mai beschlossene Verschärfung der Exportkontrollen von Plastikabfällen. "Laut den neuen Vorgaben des Basler Übereinkommens können nur noch sortenreine Abfälle und so gut wie störstofffreie Mischungen aus Polypropylen, Polyethylen und PET, die nachweislich zum Recycling bestimmt sind, mit anderen Ländern frei gehandelt werden", fasst der BVSE den Beschluss zusammen. Die Sache hat aber einen Haken, worauf Manfred Santen von Greenpeace hinweist: "Der Erfolg hängt von funktionierenden Kontrollen ab, sowohl im Plastikmüll exportierenden Europa, als auch in den Müll importierenden Ländern Südostasiens oder neuerdings auch der Türkei oder Indien."
Kampf dem Einweg-Plastik
Für Heng Kiah Chun aus Malaysia ist das neue Basler Abkommen nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend sei, die Produktion und den Konsum von Plastik, vor allem von Wegwerf-Verpackungen, drastisch einzuschränken bzw. zu verbieten. Auf diesem Gebiet wollen auch die G20-Staaten auf ihrem Gipfel in Osaka die Initiative ergreifen.
Denn fest steht: Weder mit einem Verbot noch mit Kontrollen des Imports von Abfällen alleine wäre das Müllproblem von Ländern mit massivem Plastik-Verbrauch gelöst. Erst recht nicht das Problem der Verschmutzung der Meere mit acht Millionen Tonnen Plastik jährlich. Beispiel China: Es hat zwar als Mülldeponie für das Ausland zugemacht – das ändert aber nichts an den 60 Millionen Behältern für Essen "to go", die dort täglich nach einmaligem Gebrauch weggeworfen werden.