"Poesie der Pflanze": Fotokunst von Jim Dine und Karl Blossfeldt
Zwei Generationen, zwei Nationalitäten, zwei künstlerische Ansätze: Bei der Wahl ihrer Motive waren Blossfeldt und Dine immer auf der Suche nach der Formenvielfalt der Pflanzenwelt.
Büschelschön und Rankende Cobea
Ursprünglich waren es nur Vorlagen für seine Kunststudenten. "Modellieren nach lebenden Pflanzen" hieß das Fach, das Karl Blossfeldt (1865-1932) an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin lehrte. Von Haus aus war er Bildhauer und Modelleur. Erst 1898 entdeckte er die Fotokamera als Handwerkszeug.
Ananas und Freesie
Erst Jahrzehnte später - Anfang der 1970er Jahre - wurden diese kunstvollen botanischen Fotografien von Blossfeldt überhaupt erst für die Kunstwelt entdeckt. Mit seiner handwerklich ausgereiften Arbeitsweise stand er in einer Reihe mit deutschen Meisterfotografen wie August Sander und Albert Renger-Patzsch. In seinem Fokus als Künstler stand ausschließlich die Natur, keine Menschen.
Haarfarn und Nieswurz
Wichtig war ihm, die Pflanzen in ihrer vollen Pracht zu dokumentieren. Gepflückt oder in Herbarien aufbewahrt verloren sie ihre ursprünglich von der Natur angelegte Form. Eines der grundlegenden Fotobücher mit 120 solcher Pflanzentafeln von Karl Blossfeldt hieß deshalb "Urformen der Kunst" (1928). Generationen von Fotografen, Künstlern und Architekten nutzten es später als Vorlage.
"Entrada Drive" (2001-2003)
Den US-amerikanischen Popart-Künstler Jim Dine, 1935 in Cincinnati/Ohio geboren, interessierten andere Bildwelten. Seine Motive sind auch einzelne Pflanzen, aber formal ist ihm der Lebenszusammenhang der botanischen Objekte wichtiger: Licht und Schatten, Standort und Umfeld. Alles zusammen bringt Dine in einer fast altmodisch malerischen Fotografie zusammen. Der Ausschnitt ist für ihn das Bild.
Natur in L.A.
Dine hat in den 1960er Jahren in London gelebt und sich dort mit europäischer Kunstgeschichte beschäftigt. Zurück in LA widmete er sich ab 1994 dem Medium der Fotografie. Für seine Fotokunst benutzte er eine Fototechnik aus dem 19. Jahrhundert: die "Photogravüre". Die Original-Negative werden als Diapositiv über ein grafisches Druckverfahren auf Zeichenpapier gedruckt und so verfremdet.
Kakteenlandschaft
Rory McEwen, einer seiner engsten Künstler-Freunde, verschaffte ihm Zugang zu den botanischen Aquarellen der großen europäischen Pflanzenillustratoren des 18. und 19.Jahrhunderts. Das hinterließ einen starken Eindruck auf Dine, der für seine Serie "Entrada Drive" mit der Kamera die Küstenlandschaft am Pazifik rund um Los Angeles erkundete - hier ein Kakteenwald.
Offenes Atelier
Das aufwendige Verfahren der "Photogravüre" wendete Dine später auch bei anderen künstlerischen Motiven an. Schlichte Aufnahmen von Zimmerpflanzen in seinem lichtdurchfluteten Atelier bekamen durch den Druckvorgang auf einmal malerische Qualitäten. In der Kölner Ausstellung "Poesie der Pflanze" stehen 40 großformatige Arbeiten von Dine 70 kleinformatigen Fotografien von Blossfeldt gegenüber.
Fotografien im Dialog
Die Photografische Sammlung (SK Stiftung Kultur) hat bereits 2015 in einer Einzelausstellung künstlerische Fotografien von Jim Dine in Köln gezeigt. Der Dialog mit den außergewöhnlich kunstvollen Pflanzenstudien von Karl Blossfeldt würde ihn mit großem Stolz erfüllen, sagte Dine bei der Eröffnung der aktuellen Ausstellung, die noch bis zum 21. Juli 2019 im Mediapark Köln zu sehen ist.