Polen: Illegale Wahlkampf-Finanzierung wird teuer für PiS
30. August 2024Die größte polnische Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die in Polen von 2015 bis Ende 2023 regierte, muss künftig den Gürtel enger schnallen. Die Staatliche Wahlkommission (PKW) lehnte am Donnerstag (29.08.2024) den Bericht der Partei über die Finanzierung des Wahlkampfes vor der Parlamentswahl im Oktober 2023 ab. Der PKW-Vorsitzende Sylwester Marciniak teilte nach mehrstündiger Beratung mit, dass das Gremium eine Verletzung des Wahlrechts festgestellt habe.
Beanstandet wurden Ausgaben im Wert von 3,6 Mio. Zloty (ca. 840.000 Euro). Fünf Mitglieder der Wahlkommission stimmten für den Beschluss, drei waren dagegen, der PKW-Vorsitzende enthielt sich.
Laut Wahlkommission verwendete die PiS Gelder von Ministerien und anderen staatlichen Stellen zur Finanzierung ihres Wahlkampfes. Im Beschluss ist die Rede von den "Armee-Picknicks", auf denen PiS-Politiker mit Kampfpanzern im Hintergrund um Wählerstimmen warben. Im Justizministerium wurde ein Wahlspot des damaligen Ministers Zbigniew Ziobro gedreht. In der Regierungsstelle für Gesetzgebung wurden Mitarbeiter eingestellt, die in ihrer Arbeitszeit Wahlkampf für ihren Chef machten. Dabei berücksichtigte die Wahlkommission nur einen Bruchteil der Hinweise, die bei ihr in den vergangenen Monaten eingegangen waren.
Verliert Kaczynski-Partei alle Subventionen?
Die Entscheidung der PKW hat empfindliche Folgen für die Partei von Jaroslaw Kaczynski. Die PiS muss nicht nur den beanstandeten Betrag zurückgeben. Auch die jährlichen Zuschüsse sollen reduziert werden. Insgesamt belaufen sich die Verluste der PiS auf mehr als 57 Millionen Zloty (ca. 13,6 Millionen Euro). Doch es kann noch schlimmer kommen.
Die Ablehnung des Wahlkampfberichts könnte auch zur Ablehnung des Rechenschaftsberichts für das gesamte vergangene Jahr führen, erläuterte das PKW-Mitglied Ryszard Kalisz. Dann würde die PiS drei Jahre lang überhaupt keine Zuschüsse aus dem Staatshaushalt bekommen. Die Entscheidung darüber soll die Wahlkommission im September treffen.
PiS klagt gegen Entscheidung
Der liberal-konservative Regierungschef Donald Tusk machte keinen Hehl aus seiner Schadenfreude. "Die PiS lernt die wahre Bedeutung der Worte Recht und Gerechtigkeit kennen", schrieb der polnische Premier auf X. Und der Parlamentsvorsitzende Szymon Holownia vom Bündnis Polska2050 sagte: "Niemand hat die PiS bestraft. Die PiS hat sich selbst bestraft. Die Partei machte den Wahlkampf mit Aufputschmitteln. Heute kommt die Rechnung."
Die Kaczynski-Partei hat bereits angekündigt, gegen die Geldstrafe beim Obersten Gericht klagen zu wollen. Als "Schande" bezeichnete der ehemalige Regierungschef Mateusz Morawiecki die Entscheidung der Wahlkommission. Das Ziel der Herrschenden sei "Rache und Marginalisierung der Opposition", schrieb er auf X.
Opposition protestiert: Polen wie Belarus?
Die rechte Hand von Kaczynski, der ehemalige Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak, warf Tusk vor, Polen in ein Regime ohne Opposition wie in Belarus verwandeln zu wollen. Das seien "sowjetische Methoden", wetterte der PiS-Vizechef. Der PiS-Abgeordnete Zbigniew Bogucki kommentierte seinerseits: "Wir haben es mit politischen Banditen zu tun, die die Demokratie abschaffen wollen."
Um die Lücken in der Parteikasse auszugleichen, bittet die PiS-Führung nun Parteimitglieder um Unterstützung. Ab September müssen alle PiS-Abgeordneten mindestens 1000 Zloty monatlich und Europaabgeordnete obligatorisch mindestens 5000 Zloty an die Partei überweisen, teilte die PiS mit. "Wir werden aus dieser Krise gestärkt hervorgehen", sagt Blaszczak kämpferisch.
Die Journalistin Ewa Siedlecka meinte, eine Spendenaktion könne tatsächlich die Partei mobilisieren. "Der Opfernimbus kommt bei den Polen gut an", sagte die Rechtsexpertin der Wochenzeitung Polityka.
Mobilisierung vor der Präsidentenwahl
Die Auseinandersetzung um die Geldstrafe für die PiS fällt in eine Zeit, in der sich das Mitte-Links-Lager und die Nationalkonservativen um Kaczynski auf das Rennen um den Präsidentenpalast vorbereiten. Andrzej Dudas Amtszeit endet im kommenden Sommer, die erste Wahlrunde wird im Mai 2025 stattfinden.
Als Favorit der Linksliberalen gilt der Stadtpräsident von Warschau, Rafal Trzaskowski. Die PiS sucht noch einen geeigneten Kandidaten. Er sollte "jung, gut aussehend sein, Fremdsprachen kennen und internationale Erfahrung haben", beschrieb kürzlich Kaczynski seinen Wunschkandidaten in einem Radiointerview.
Mit dem Sieg seines Kandidaten bei der Präsidentenwahl verbindet Tusk die Hoffnung auf einen politischen Durchbruch. Denn Duda, der aus seiner Nähe zur PiS kein Geheimnis macht, blockiert mit seinem Vetorecht alle Reformvorhaben der Regierung. Auch das Verfassungstribunal bleibt in der Hand der vom Staatsoberhaupt ernannten Richter.
Tusk-Regierung braucht Erfolge
Tusks Regierung hat bisher nur wenige Erfolge aufzuweisen. Der liberale Regierungschef gab bei einem Treffen mit Jugendlichen am Wochenende zu, dass in diesem Parlament keine Mehrheit für die versprochene Reform des Abtreibungsrechts vorhanden ist. Am Mittwoch einigte sich die Koalition auf einen Haushaltsentwurf für 2025. Er sieht ein Rekorddefizit von 289 Milliarden Zloty vor (ca. 68,8 Milliarden Euro), was einem Haushaltsdefizit von 5,5 Prozent entspricht.
Auch die versprochene Abrechnung mit den Politikern der Vorgängerregierung geht nur sehr schleppend voran. Marcin Romanowski, in der PiS-Regierung Staatssekretär im Justizministerium, wurde im Juli wegen "Gründung einer kriminellen Vereinigung" festgenommen, musste aber wegen Immunität als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates aus der Haft entlassen werden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere frühere Regierungsmitglieder wegen Korruption und Vorteilsnahme. Tusk gab kürzlich bekannt, dass sich die Gesamtsumme der öffentlichen Ausgaben aus der PiS-Regierungszeit, die von der Steuerbehörde untersucht wird, auf 100 Milliarden Zloty (ca. 24 Milliarden Euro) beläuft. Mit der Kontrolle beschäftigen sich 200 Beamte. Doch Beweise zu finden, ist nicht einfach. Bisher wurden lediglich Strafanzeigen im Wert von 3,2 Milliarden Zloty (ca. 762 Millionen Euro) gestellt.
Ob die PiS wirklich zur Kasse gebeten wird, ist noch nicht entschieden. Die Kammer zur außerordentlichen Kontrolle des Obersten Gerichts, die sich mit dem Fall beschäftigen soll, wird vom Gerichtshof der EU als illegal betrachtet. Am Ende wird Finanzminister Andrzej Domanski darüber entscheiden, ob und wenn ja, wieviel Geld Kaczynski und seine Parteigenossen aus der Staatskasse bekommen.