Polen verweigert Tusk Unterstützung
4. März 2017Die Regierung in Warschau hat den konservativen Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski für den Posten des EU-Ratspräsidenten nominiert, wie Außenminister Witold Waszczykowski der Nachrichtenagentur PAP sagte. Dies sei Malta als derzeitigem Vorsitzland in einer Note mitgeteilt worden.
Sofortiger Parteiausschluss
Der 68-jährige Ökonom Saryusz-Wolski ist seit 2004 im EU-Parlament. Genau wie der liberale Tusk (Artikelbild) ist er Mitglied der oppositionellen Bürgerplattform (PO) und entstammt damit einer anderen politischen Partei als die gegenwärtige Regierung. Die PO hatte sich zuletzt aber von ihm distanziert. Unmittelbar nach der Ankündigung seiner Gegenkandidatur schloss ihn der PO-Vorstand aus der Partei aus.
Waszczykowski kritisierte den 59-jährigen Tusk als einen der "Anführer einer totalen Opposition" gegen die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Saryusz-Wolski sei indes ein "Garant der Unabhängigkeit". Hintergrund dieser Einschätzung ist, dass die EU-Kommission ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet hat. Anlass sind die umstrittenen Gesetzesänderungen zum Verfassungsgericht und zu den Medien.
Tusks Amtszeit läuft Ende Mai aus. Nach bisheriger Planung soll der frühere polnische Ministerpräsident auf dem EU-Gipfel kommende Woche für eine weitere zweieinhalbjährige Amtszeit wiedergewählt werden. Bereits Anfang der Woche kursierte in Brüssel das Gerücht eines polnischen Gegenkandidaten. EU-Diplomaten hatten diese Idee überwiegend abgelehnt und gesagt, dass Tusk erneut gewählt werde.
Wiederwahl Tusks auch ohne Polen möglich
Zwingend erforderlich ist die Zustimmung seines Heimatlandes nicht, denn dafür ist nur eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Polen könnte beim EU-Gipfel also überstimmt werden. Bislang wurden allerdings alle Ratspräsidenten der EU mit der ausdrücklichen Unterstützung ihrer Heimatregierung ins Amt gewählt.
Ein Manko von Saryusz-Wolski dürfte dagegen sein, dass er niemals Regierungschef war. Das ist zwar nach dem EU-Vertrag keine Voraussetzung, wurde aber bei den vorangegangenen Ratspräsidenten immer vorausgesetzt. Zu den Aufgaben des Ratspräsidenten zählt, die 28 Staats- und Regierungschefs der EU bei Gipfeln auf Linie zu bringen.
ust/qu (dpa, afp)