Polen will britischen Müll nicht mehr
27. Juli 2019Polen ist zur Plastikmüllkippe Großbritanniens geworden und es soll bereits eine "Müllmafia" existieren, welche die illegale Entsorgung der Kunststoffe organisiert. Polens stellvertretender Umweltminister Slawomir Mazurek versprach kürzlich, dass die Regierung streng gegen die illegale Verbrennung importierten Plastikmülls vorgehen werde.
Die zehn Müllverbrennungsanlagen in Polen, so der Minister, könnten zwar mit dem polnischen Müll und den Importen aus Tschechien, Italien und dem Vereinigten Königreich fertig werden. Aber es gebe keine verbindlichen Regeln zur Abfallqualität und illegale Verbrennungen seien weit verbreitet.
Die Europäische Kommission legte 2018 fest, dass die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten liegt. Als Teil des europäischen Abfall-Kreislauf-Gesetzes, das im gleichen Jahr verabschiedet wurde, wird die Verantwortung der Produzenten für ihre Ware ausgedehnt. Das heißt, die Unternehmen sind auch für ihre Ware und deren Verpackung verantwortlich, nachdem der Käufer sie benutzt hat.
Der Müll verbrennt, die Probleme bleiben
Polens regulative Rückständigkeit wurde 2018 besonders deutlich, als im Mai des Jahres landesweit 60 Feuer auf Müllkippen ausbrachen. Das größte von ihnen brannte zwei Tage lang und es bedeckte die zentralpolnische Stadt Zgierz mit einer Decke aus Rauch, in der Fragmente verbrannten Abfalls entdeckt wurden, die von britischem Müll stammten.
Einfach weggeworfen
Im Januar 2018 erließ China einen Importstopp für 24 verschiedene Typen festen Mülls. In der Folge liefen viele Schiffe, die Müll transportierten, andere Länder an: Malaysia, Vietnam, Thailand, Indonesien, Taiwan, Südkorea und Indien, aber auch die Türkei - und Polen.
Greenpeace beschuldigt westliche Länder, arme Nationen durch unzureichende Regulierungen auszubeuten. Westliche Unternehmen seien bereit, für die Entsorgung ihres Mülls zu bezahlen und Unternehmer in armen Ländern akzeptierten solche Verträge. Der Müll sei dabei häufig falsch etikettiert.
Exporteure, auch solche aus dem Vereinigten Königreich, machten Gewinn damit, dass sie Zwischenhändlern und Unternehmern die Übernahme von wiederverwertbarem Plastikmüll bescheinigen und dies in Rechnung stellten. Legen die Firmen ihrer Regierung diese Bescheinigungen vor, können sie damit belegen, zum Recycling-System beizutragen. Doch würden weltweit nur neun Prozent des Plastikmülls wiederverwertet, berichtete "National Georaphic" 2017.
"Für die Erste Welt bedeutet das, dass sie sich gut fühlen können, weil ihr Müll ja angeblich wiederverwertet wird", sagte der Anti-Plastikmüll-Aktivist Beau Baconguis von der "Globalen Allianz für Alternativen zur Müllverbrennung" gegenüber der Thomson-Reuters-Foundation und fügte hinzu: "In Wirklichkeit aber landet der Müll in Ländern, die mit dem Abfall gar nicht umgehen können."
Wird Polen zum China Europas?
Jahrelang war China die weltgrößte Müllkippe für Plastikabfall. Das Land importierte monatlich 600.000 Tonnen Plastikmüll. Das Vereinigte Königreich schickt jährlich etwa 12.000 Tonnen wiederverwertbares Plastik nach Polen. Seit 2002 hat sich die Müllmenge, die Großbritannien in die Welt, also in Länder wie China, die Türkei, Malaysia und Polen, schickt, versechsfacht.
Nachdem China dieser Praxis im vergangenen Jahr einen Riegel vorgeschoben hat, ist Polen zum sechstgrößten Empfänger britischen Mülls weltweit geworden. In Europa belegen die Polen dabei sogar Platz zwei nach den Niederlanden.
2018 teilte die EU-Kommission mit, Polen sei eines von 14 EU-Ländern, die Gefahr liefen, das EU-Recycling-Ziel von 50 Prozent bis zum Jahr 2020 zu verfehlen. Laut Eurostat, der EU-Statistikbehörde, recycelte Polen 2017 ein Drittel (33,8 Prozent) seines Abfalls, während es in der Union durchschnittlich 46,4 Prozent waren.
Ein brennendes Problem
Für Karol Wojcik von der Polnischen Vereinigung der Abfallbetriebe liegt das Problem darin, dass es keine verbindlichen Mindestpreise für recycelbares Plastik gebe. Daher seien die Kommunen bereit, den Müll auch zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Gäbe es einen Mindestpreis für wiederverwertbaren Plastikmüll, so glaubt er, würde das der Versuchung, mit der "Müllmafia" zusammenzuarbeiten, ein Ende bereiten.
"In Polen sehen wir, dass eine Abfallwirtschaft, die lediglich auf liberalen Marktprinzipien aufgebaut ist, nicht effizient genug ist. Die unsichtbare Hand des Marktes hat in Polen nicht für ausreichende Maßstäbe bei Sammeln und Wiederverwerten unseres Mülls, aber stattdessen für sehr sichtbare Feuer gesorgt."
Ein schmutziges Geschäft
Im April hat die Polizei in Krakau, Kattowitz und Tschenstochau 15 Menschen festgenommen, die mit der Müllmafia in Verbindung stehen sollen. Laut der Ermittler gebe es Beweise, dass sie gefährlichen Müll illegal gelagert hätten, unter anderem in Bergwerken oder in der Nähe von Wohngebieten.
Die Beamten entdeckten 2452 Tonnen illegal gelagerten Müll, dessen legale Beseitigung etwa acht Millionen Zloty, also etwa 1,9 Millionen Euro gekostet hätte.
"Es geht um eine riesige Menge giftigen Abfalls. Diese Art der Lagerung stellt eine reale Bedrohung für Leben und Gesundheit und die Umwelt im Ganzen dar", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Kattowitz, Waldemar Lubniewski.
Internationale organisierte Kriminalität
Nach Angaben der Kattowitzer Polizei haben kriminelle Banden Lagerräume im ganzen Land angemietet. Der Mann hinter diesem Unternehmen, so die südpolnische Polizei, sei ein 52-jähriger Geschäftsmann aus Krakau.
Gegenwärtig laufen in Polen sechs Gerichtsverfahren wegen illegaler Mülldeponien, Ewa Bialik, Sprecherin der polnischen Generalstaatsanwaltschaft, sagte dazu: "Einige dieser Verfahren könnten internationaler Natur sein." Bislang sind 47 Personen angeklagt, 28 von ihnen sitzen noch in Untersuchungshaft.
Drei britische Abfallunternehmen sind zurzeit Ziel von Untersuchungen der britischen Umweltbehörde EA, weil sie 1000 Tonnen falsch etikettierten Recyclingmüll nach Polen exportiert haben sollen. Die EA gibt ihre Namen aus "rechtlichen Erwägungen" heraus nicht bekannt. Der Chef der Umweltbehörde, Sir James Bevan, hatte vor zwei Jahren gewarnt, dass die "Müllverbrechen" Dimensionen annehmen könnten wie das Drogengeschäft. Müllkriminalität kostet das Vereinigte Königreich jährlich etwa eine Milliarde Pfund.