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Szydlo verteidigt Polens Vorgehen

Barbara Wesel19. Januar 2016

Die Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit von Maßnahmen der neuen polnischen Regierung waren groß im Plenum des Europaparlaments. Ministerpräsidentin Szydlo wies dabei die EU-Kritik zurück. Aus Straßburg Barbara Wesel.

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Europaparlament Polens Premierministerin Beata Szydlo spricht. Foto: REUTERS/Vincent Kessler
Polens Premierministerin Beata Szydlo im EuropaparlamentBild: Reuters/V. Kessler

Die Polnische Ministerpräsidentin verteidigt Gesetzesänderungen und weist Kritik zurück, gibt sich aber gesprächsbereit. Ein Trüppchen Pro-Regierungsdemonstranten vor dem Eingang des Europaparlaments in Straßburg war gekommen, um Ministerpräsidentin Beata Szydlo zu unterstützen. Nebenbei beschimpften sie lautstark ein paar deutsche Journalisten und verteilten Exemplare der Wochenzeitung "Gazeta Polska". Auf dem Titelbild eine lachende Angela Merkel, wie sie von vielen braunen und schwarzen Händen betatscht wird, Hände von Flüchtlingen wohl. Die Titelzeile dazu: "Die schlechte Berührung von Deutschland", eine Formulierung die in Polen bei sexuellen Übergriffen verwendet wird. Eine Fotomontage mit einer Hetzbotschaft, die die Gemütslage zumindest dieser Gruppe von PiS Unterstützern zeigt.

Gazeta Polska - Merkel auf dem Titelbild wird von vielen Händen betatscht. © Gazeta Polska/Foto: DW/B. Wesel
Gazeta Polska mit einer Merkel-kritischen FotomontageBild: Gazeta Polska/Foto: DW/B. Wesell

Polen will ein Champion Europas sein

Ministerpräsidentin Beata Szydlo dagegen betonte im Plenarsaal die Gesprächsbereitschaft ihrer Regierung:"Mir liegt viel daran, Sie zu überzeugen, dass Polen zu Europa gehört". Alle Vorwürfe gegen ihre Regierung aber seien absolut unbegründet, das Verfassungsgericht sei auch nach den jüngsten Reformen weiter funktionsfähig. Keinesfalls habe ihre Regierungspartei die Absicht, Entscheidungen des höchsten Gerichts zu dominieren. Das gleiche gelte für die Umgestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien – da habe Polen nur getan, was auch andere Länder machten. Die Medien sollten apolitisch und objektiv berichten, beschwört Szydlo. Es seien auch bei diesen Änderungen keine demokratischen Werte verletzt worden. "Wir wollen ein Champion in Europa sein", beteuerte die Ministerpräsidentin, die ganz als gute Europäerin auftrat.

Wie schon der polnische Präsident Duda am Vortag in Brüssel, will auch Ministerpräsidentin Szydlo das gesprächsbereite, politisch gemäßigte Gesicht der neuen Regierung zeigen. Allerdings lehnte sie es ab, die Maßnahmen zurückzunehmen, und verbat sich Kritik und eine Einschränkung der Souveränität Polens. Es habe vor dieser Debatte ungerechte Äußerungen gegen Polen gegeben, und die beruhten entweder auf Desinformation oder auf schlechtem Willen, erklärte die Regierungschefin. Aber die Informationen aus Warschau fließen nur zögerlich: Erst eine Stunde vor der Debatte habe er einen neuen Brief aus Warschau bekommen, sagte der Vizepräsident der EU Kommission. Jetzt will Frans Timmermans zunächst auf das Gutachten der sogenannten Venedig-Kommission des Europarats warten, einer Gruppe von internationalen Verfassungsrechtlern mit beratender Funktion. Sie sollen die politischen Maßnahmen in Warschau auf ihre Rechtstaatlichkeit überprüfen. EU Ratspräsident Donald Tusk sprach von einem traurigen Tag, es sei das erste Mal, dass Polen Gegenstand einer solchen Debatte werde.

Die Flaggen der EU und Polens nebeneinander. Foto: picture-alliance/B. Schleep
Polen und Europa gehören zusammen, meint die polnische MinisterpräsidentinBild: picture-alliance/B. Schleep

Schützenhilfe von Rechts

Was Beata Szydlo irgendwie den Effekt der politischen Mäßigung verdarb, war eine Reihe von Abgeordneten der eigenen Fraktion, sowie verwandter rechtspopulistischer Parteien. So erklärte etwa Jaroslaw Iwasczkiewicz rundum: "Polnische Angelegenheiten dürfen nur von Polen in Polen entschieden werden". Die EU habe sich da heraus zuhalten. "Wir dulden keine Einmischung in unsere Souveränität", schimpfte ein PiS Fraktionskollege. Und ein Vertreter der Front National sah darüber hinaus"christliche Wurzeln, Solidarität und alte, echte Werte" gefährdet – was heftigen Beifall von Sympathisanten auf der Besuchertribüne auslöste. Zu all dem lächelte Beata Szydlo freundlich amüsiert.

Die Kritik blieb vorsichtig

Der Vorsitzende der europäischen Volkspartei hatte sich schon vorab von der Rednerliste genommen. Als Deutscher wolle er in dieser Sache nicht als Wortführer auftreten, hatte Manfred Weber erklärt. Vielleicht war der Grund aber auch, dass die EVP vor einigen Jahren ähnliche Gesetzesänderungen in Ungarn nicht kritisiert hatte, nur weil Viktor Orbans Fides zur christdemokratischen Parteienfamilie gehört. Der spanische Stellvertreter Gonzalez Esteban sprach dann immerhin recht deutlich von der Gefahr des Autoritarismus, die von Innen kommen könne. Diese historischen Fehler dürften nicht wiederholt werden. Er appellierte direkt an die polnische Ministerpräsidentin: "Wir müssen uns die Wahrheit sagen. Sie können Gesetze ändern, aber nicht Werte".

Auch Liberalen-Chef Guy Verhofstadt, ein Mann der scharfen Worte, passte sich der gemäßigten Tonlage der Debatte an. Trotzdem war seine Kritik an Warschau deutlich: "Ihre Maßnahmen haben den Verfassungsgerichtshof quasi abgeschafft", er sei arbeitsunfähig geworden. So etwas aber spiele dem russischen Präsidenten Putin in die Hand, der die EU geschwächt sehen wolle. Aber: Er habe Vertrauen in das polnische Volk, es werde nie akzeptieren, die Demokratie aufzugeben. Auch Rebecca Harms von den Grünen sprach von dem Eindruck, dass die Regierungsmehrheit in Polen ihr Diktat durchsetze. Entscheidungen über neue Gesetze würden über Nacht getroffen, ohne ordentliche Debatte. Ihre Fraktion begrüßt, dass die EU Kommission den Rechtsstaats-Mechanismus in Gang gesetzt hat. Allerdings: Auch in anderen Länder gebe es Verstöße gegen demokratische Prinzipien, die überprüft werden müssten.

Europaparlament in Strassburg. Foto: imago/Winfried Rothermel
Das Europaparlament in Strassburg - Schauplatz der Polen-Debatte.Bild: imago/W. Rothermel

Die Zivilgesellschaft soll den Kampf führen

Auf der Zuschauertribüne verfolgte Mateusz Kijowski die Debatte. Er ist Gründer der Protestbewegung KOD, "Komitee zur Verteidigung der Demokratie", die seit November zahlreiche Demonstrationen gegen die Regierung in Warschau auf die Beine gebracht hat. Er war als Gast der Grünen Fraktion gekommen und hofft auf den guten Einfluss Europas:"80% der Polen sind für die EU, das hat eine neue Umfrage gezeigt". Insofern sei es wichtig, dass Brüssel sich mit der Regierung in Warschau über undemokratische Aktionen auseinandersetzt.

Auch Kijowski nennt die Veränderungen im Verfassungsgericht, und den Umstand, dass Gesetze im polnischen Parlament neuerdings in Nacht- und Nebelaktionen durchgepeitscht würden, als Grund zum Protest. Deshalb, und wegen der handstreichartigen Übernahme der öffentlich-rechtlichen Medien, hält es der Bürgerrechtler für richtig, dass die EU das "Rechtsstaatlichkeits-Verfahren" eingeleitet hat:"Die polnische Regierung verstößt gegen grundlegende demokratische Verfahren". Kijowski hofft auf eine starke Botschaft der EU an Warschau. Wenn er auch dabei "eine gemäßigte Wortwahl vorziehen würde. Denn wir mögen keine aggressiven Formulierungen".