Urteil ohne Klarheit
23. Mai 2007Genau drei Jahre und fünf Monate hat es gedauert, bis Milorad Ulemek, Spitzname Legija, und sein Kamerad Zvezdan Jovanovic offiziell als Mörder des serbischen Ministerpräsidenten Djindjic bezeichnet werden können.
Es war ein schwieriger Prozess mit mehr als 150 Verhandlungstagen. Mehr als 100 Zeugen wurden angehört, zwei wichtige Zeugen wurden ermordet, die Schwester von Zoran Djindjic wurde angegriffen, der Hauptrichter trat zurück. Und das ist nur ein Teil der Hindernisse, die den Prozess begleitet haben. Ein Prozess, der mit Recht als der Komplizierteste in der serbischen Justizgeschichte bezeichnet wird. Am Ende gab es Höchststrafen für die beiden Hauptangeklagten - 40 Jahre.
Nicht sehr überzeugend
Doch es bleiben Fragen, vor allem nach möglichen Hintermännern. Denn der Verdacht besteht weiterhin, dass Ulemek und Jovanovic nur ausführten, was andere, mächtigere Leute planten. Auf diese Fragen gab der Mammutprozess aber keine Antworten. Vielleicht wollte er sie auch nicht geben. Es scheint, dass nur die Anklage an die Geschichte glaubt, Zvezdan Jovanovic, ein ehemahliger Polizist, habe aus Angst vor dem Haager Tribunal auf Premier Djindjic geschossen. Zumindest stand es so in seinem Plädoyer. Nicht sehr überzeugend.
Sogar die Vertreter der Familie Djindjic, die mit der Anklage auf einer Seite stehen, haben nicht an diese Version geglaubt. Es muss einen politischen Hintergrund geben, da sind sich viele Beobachter sicher. Denn auch wenn Legija und Jovanovic zu einer Sondereinheit gehörten, so konnten sie nicht so einfach ein Attentat auf den Ministerpräsidenten organisieren. Es muss Helfer gegeben haben. Und das hat der Prozess auch gezeigt.
Codename "Säbel"
Am 12. März wurde Ministerpräsident Djindjic ermordet. Danach wurde der Ausnahmezustand in Serbien aufgerufen, eine umfassende Polizeiaktion unter dem Codenamen "Säbel" begann. Schnell wurde bekannt, wer die Täter waren, nämlich Mitglieder einer Polizei-Sondereinheit, bekannt als Rote Barette, sowie Mitglieder des Zemun-Klans, einer Mafia-Gruppe. Zvezdan Jovanovic von den Roten Baretten wurde verhaftet. Er packte aus und erklärte, er persönlich habe den Ministerpräsidenten Djindjic getötet. Er legte ein umfangreiches Geständnis ab. Milorad Ulemek - Legija - verschwand spurlos.
Das Prozess begann am 22. Dezember 2003. Nach der Verlesung des Geständnisses von Zvezdan Jovanovic blieb nur wenig Raum für Zweifel, ob tatsächlich Zvezdan Jovanovic Djindjic´s Mörder war. Es gab keine neuen Skandale, keine neuen Spekulationen. Alles schien seinen Gang zu gehen. Dann kam der Machtwechsel in Serbien. Mit Kostunica als neuem Premierminister entstand ein anderes politisches Klima. Plötzlich wurden die Täter als Helden gesehen.
Welche Rolle spielt der Innenminister?
Ein guter Moment für den Hauptverdächtigen Milorad Ulemek, aus seiner Wohnung herauszukommen, in der er sich 14 Monate lang versteckt hatte - unter Beobachtung ehemaliger Polizeikollegen. Doch statt in eine Zelle wurde Legija ins Innenministerium, zum persönlichen Gespräch mit dem Innenminister Jocic gebracht. Worüber sie damals sprachen, weiß nur ein kleiner Kreis von Leuten. Immerhin endete Legija am Ende da, wo er von Anfang an hingehörte, im Gefängnis, wo er jetzt auch lange bleiben wird.
Dennoch: Viele fragten sich, was das politische Theater mit Legija und dem Innenminister zu bedeuten hat. Was hat der Innenminister Dragan Jocic Legija versprochen? Es ist schwer zu glauben, dass ein Krimineller von Legijas Kaliber sich so einfach der Polizei gestellt hat. Zum Glück waren seine Hoffnungen auf einer Lüge aufgebaut. Denn lügen können serbische Politiker sehr gut. Vielleicht ist in diesem Fall Legija darauf reingefallen.
Und gerade diese Politiker, denen Legija blind geglaubt hat, wollen die Anwälte der Familie Djindjic im Gericht stehen sehen. Die Zeugenaussagen von Ministerpräsident Kostunica und seinem Lieblings-Innenminister Dragan Jocic könnten vielleicht bei der Aufklärung des Mordmotivs und der Suche nach den eigentlichen Anstiftern helfen. So bleiben viele Fragen noch offen. Zu viele, um so einen wichtigen Prozess ad acta zu legen.