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Politischer Stillstand auf Sansibar

Hilke Fischer7. Januar 2016

Seit mehr als zwei Monaten streiten sich die zwei größten Parteien Sansibars um das Präsidentenamt. Die Sorge vor neuer Gewalt ist groß, darunter leidet auch die Wirtschaft. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

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Wahlkampfplakate in Sansibar (Foto: Getty Images/AFP/D. Hayduk)
Bild: Getty Images/AFP/D. Hayduk

#WhatWouldMagufuliDo ist bis heute eines der beliebtesten Hashtags in Tansania. Auf Twitter feiert die junge Generation ihren sparsamen Präsidenten John Pombe Magufuli mit amüsanten Vorschlägen, wie sie in ihrem eigenen Leben überflüssige Ausgaben streichen können. Magufuli ging als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen am 25. Oktober 2015 hervor. In den ersten Wochen seiner Amtszeit strich er seiner Meinung nach unnötige Staatsausgaben wie pompöse Unabhängigkeitsfeierlichkeiten und Business-Class-Flüge für Minister.

Während Magufuli ordentlich aufräumt, herrscht auf dem zu Tansania gehörenden Sansibar-Archipel politischer Stillstand. Sansibar setzt sich aus den Inseln Unguja und Pemba zusammen und hat als halbautonomer Teilstaat einen besonderen Status. Neben dem Staatspräsidenten, der für das ganze Land zuständig ist, gibt es dort einen eigenen Präsidenten für die Belange Sansibars. Bislang hatte diesen Posten immer ein Mitglied der Revolutionspartei (Chama Cha Mapinduzi, CCM) inne. Ärgster Konkurrent ist die Civic United Front (CUF), seit 2010 Juniorpartner der CCM in der sansibarischen Regierung.

Der Vorwurf: Wahlbetrug

Sansibars Präsident sollte ebenfalls am 25. Oktober neu gewählt werden. Doch die Wahlkommission annullierte die Abstimmung ohne ein Ergebnis bekanntzugeben. In einigen Wahllokalen habe die Zahl der abgegebenen Stimmen die der Wähler überstiegen, so die Begründung des Kommissionsvorsitzenden Jecha Salim Jecha. Wahlbeobachter seien zudem von der Auszählung ausgeschlossen worden. Außerdem soll die CUF vor allem auf der Insel Pemba Stimmzettel manipuliert haben.

CUF-Vorsitzender Maalim Seif Sharif Hamad hatte offizielle Ergebnisse der Wahlkommission gar nicht erst abgewartet, sondern sich bereits am Tag nach der Wahl zum Sieger erklärt. Der 72-Jährige kandidierte bereits zum fünften Mal. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2010 siegte sein Konkurrent Ali Mohamed Shein von der CCM mit gerade einmal 3471 Stimmen Vorsprung. Auch dieses Mal waren die beiden wieder gegeneinander angetreten.

Seif Sharif Hamad (Foto: DW/Mohammed K Ghassani)
Sieht sich als Sieger: Maalim Seif Sharif HamadBild: DW/M. Ghassani

Zerreißprobe für Sansibar

Die CCM fordert jetzt Neuwahlen für Sansibar. Die CUF hat bereits angekündigt, diese zu boykottieren. Sie besteht weiterhin darauf, die Wahlen gewonnen zu haben. Seit Wochen laufen Gespräche zwischen CCM-Mann Shein und Seif Sharif Hamad von der CUF, bislang ergebnislos. Darüber, was hinter den Kulissen passiert, erfährt die Öffentlichkeit nichts. Nun meldete sich Shein erstmals nach wochenlangem Schweigen zu Wort, um zu bekräftigen, dass er nach wie vor der rechtmäßige Präsident Sansibars sei. Seinem Konkurrenten Seif Sharif Hamad zufolge ist Sansibar seit dem zweiten November führerlos - an dem Tag sei das Mandat des Präsidenten offiziell abgelaufen.

Die Verfassung gibt keine klare Antwort darauf, was in einem solchen Fall zu tun ist. Es wäre nun an der CUF, eine Klage vor dem höchsten Gericht anzustreben, um Rechtssicherheit zu bekommen. Doch die Sorge, dass die Justiz zu Gunsten der Regierungspartei entscheiden würde, hält sie bislang davon ab. "Für mich wirkt es so, als sagt Shein uns Sansibaris, dass er sowieso das Machtmonopol hat und wir nichts gegen ihn ausrichten können", beschwert sich die Rechtsanwältin Fatma Karume im DW-Interview. "Er vermittelt uns den Eindruck, unsere Wählerstimmen seien ihm egal."

Ali Mohamed Shein (Foto: imago/Xinhua)
Sieht sich weiterhin als Präsident: Ali Mohamed SheinBild: Imago/Xinhua

Die politische Krise stellt Sansibar auf die Zerreißprobe: Seit den 1990er Jahren kam es im Zuge von Wahlen immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten zwischen Anhängern der CCM und der CUF. Um neuer Gewalt vorzubeugen, formen beide Parteien seit 2010 eine Regierung der nationalen Einheit. Der Gesprächsfaden zwischen der CUF und der CCM dürfe in keinem Fall abreißen, warnt Hubertus von Welck von der Friedrich-Naumann-Stiftung, der als Wahlbeobachter in Sansibar war. "Wenn es zu keiner Verhandlungslösung kommt, dann drohen wieder gewalttätige Auseinandersetzungen und Tote."

Lebensmittelpreise steigen

Noch ist es ruhig in Sansibar und seit einem Treffen von Tansanias Präsident Magufuli und Seif Sharif Hamad Ende Dezember sind auch die Soldaten aus dem Straßenbild verschwunden. Die staatliche Verwaltung funktioniert nach wie vor, obwohl die CUF ihre Minister aus der gemeinsamen Regierung abgezogen hat und obwohl es kein Parlament mehr gibt - denn auch die Mandate der Abgeordneten sind seit Anfang November abgelaufen. Was fehlt, ist die demokratische Kontrolle der Behörden.

Marktstand in Sansibar (Foto: imago/blickwinkel)
Grundnahrungsmittel sind teuer gewordenBild: imago/blickwinkel

Derweil verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage auf der Inselgruppe. Bohnen, Kartoffeln und Tomaten, die vom Festland dorthin verkauft werden, sind knapp geworden; die Preise steigen. Die tansanische Regierung schreibt das dem Missmanagement der Geschäftsleute zu, der schlechten Infrastruktur und der überbordenden Bürokratie bei den Importen. In Sansibar machen viele den politischen Stillstand für diese Situation verantwortlich: Aus Sorge vor politischen Unruhen kaufen die Händler weniger ein.

Mitarbeit: Daniel Gakuba