Sächsische Polizei im rechten Sumpf?
29. August 2018"Freistaat Sachsen - Amtsgericht Chemnitz" - diesen Stempel trägt ein Dokument, das auf Seiten rechtspopulistischer Gruppen zu finden ist. Das Papier soll der Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Messerstecher sein, der am Sonntag einen jungen Mann in Chemnitz getötet hat. Veröffentlicht ist es unter anderem auf einem Telegram-Kanal, der unter dem Namen von Lutz Bachmann betrieben wird, einem der Gründer der islamfeindlichen Pegida-Bewegung.
"Es kann nicht sein, dass Polizeibeamte denken, sie könnten Dinge durchstechen, obwohl sie genau wissen, dass sie damit eine Straftat begehen", sagt dazu Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig von der SPD. "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang", so Dulig weiter im Mitteldeutschen Rundfunk. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat nun Ermittlungen eingeleitet. Ist der Haftbefehl echt, dann zeigt seine Veröffentlichung, dass rechte Kreise in Sachsen aus dem Polizei- und Justizapparat unterstützt werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Polizei diesen Vorwurf gefallen lassen muss.
Die rechte Terrorgruppe "Freital" soll laut Zeugenaussagen 2015 von Seiten der Polizei vor einer Razzia gewarnt worden sein - aus Mangel an Beweisen wurden die Verfahren jedoch eingestellt. Gibt es bei der sächsischen Polizei mehr Sympathie für Rechtsaußen, als der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gut tut?
Lüge, Unterstellung, Beleidigung
Nein, "rechts" will Reinhard Gärtner sich nicht nennen lassen. Der pensionierte Polizeibeamte aus Sachsen sagt, dass weder er noch seine ehemaligen Kollegen politisch am rechten Rand stünden. "Das ist eine Lüge. Eine Unterstellung, die den Polizisten gegenüber gemacht wird", so Gärtner im Gespräch mit der DW. "Ich würde eine Anzeige machen wegen Beleidigung."
Gärtner war 40 Jahre lang Polizist in Sachsen. In Stollberg, knapp 20 Kilometer südlich von Chemnitz war er zuletzt im Einsatz. Jetzt ist er im Ruhestand - und Pressesprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft Sachsen. "Rechts" will Gärtner nicht sein, aber einige seiner Ansichten könnte man so oder ähnlich auch auf einer Kundgebung der islamfeindlichen Pegida-Bewegung hören.
Gefährliche Nähe zwischen Pegida und Polizei
Die amtliche Kriminalitätsstatistik, laut der die Zahl der Straftaten in Deutschland zurückgeht? "Ist Quatsch", sagt Gärtner. "Nie im Leben wird es weniger gefährlich." Die Medien? Würden die Nationalität von Straftätern "zielgerichtet verschleiern, später nennen und umgehen. Das ist nicht in Ordnung." Die Rente? "Können wir nicht mehr finanzieren für unsere alten Leute, die ihr Leben lang gearbeitet haben und dann kommt das Problem Migration. Da lebt einer mit seinen drei Frauen hier und kriegt ein Familieneinkommen von 5000 Euro."
Ja, der Freistaat Sachsen habe ein Problem, was die Nähe zwischen Pegida und Polizei angeht, meint deshalb auch Valentin Lippmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. "Auch zwischen harten Rechtsextremen und der Polizei hat es in Sachsen immer wieder eine solche Nähe gegeben", so Lippmann im DW-Interview. Erst vergangene Woche hatte ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts, der in seiner Freizeit bei Pegida mitmarschiert, versucht, ein Kamerateam des ZDF einzuschüchtern. Polizisten hinderten die Journalisten anschließend 45 Minuten lang an der Arbeit.
Stadt in der Hand der Rechten
Unter anderem in Heidenau, Clausnitz oder Freital in Sachsen randalierten in den vergangenen Jahren Rechtsextreme, die Polizei wurde häufig nicht Herr der Lage. Nach dem Mord an einem jungen Mann, mutmaßlich von einem Syrer und Iraker erstochen, "scheint sich das in den vergangenen Tagen in Chemnitz eins zu eins wiederholt zu haben", so Lippmann, "mit zu wenig Kräften von Seiten der Polizei und einer vollkommenen Fehleinschätzung der Lage." Man habe den Rechten die Stadt überlassen. "Das darf in einem Rechtsstaat, wo das Gewaltmonopol bei der Polizei liegt, nicht vorkommen."
Lippmann verweist darauf, dass die Polizei nie den Querschnitt der Gesellschaft abbilde, sondern etwas weiter rechts stehe. Wer politisch links sei, werde eben eher Sozialarbeiter als Polizist. Umso wichtiger sei eine klare Haltung des Führungspersonals dazu, was in einer Polizei unentschuldbar und nicht zu dulden ist. "Außerdem brauchen wir eine stärkere Fokussierung auf Grund- und Menschenrechte schon in der Ausbildung."
"Polizei hat einen super Job gemacht"
Reinhard Gärtner von der Deutschen Polizeigewerkschaft sieht bei der Bekämpfung von Rechtsextremen nicht die Gesinnung der Beamten als Problem, sondern mangelndes Personal. "In der Polizeidirektion Chemnitz zum Beispiel gab es früher vier Reviere, jetzt gibt es nur noch zwei. Es ist logisch, dass das nicht reicht."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer dagegen scheint der Meinung zu sein, dass bei der Polizei seines Landes alles in guter Ordnung ist - Gesinnung hin, Personalstärke her. Mit Blick auf die Ausschreitungen von Chemnitz sagte er am Mittwoch der "Bild"-Zeitung: "Die Polizei hat einen super Job gemacht".