Populäre Rechtspopulisten
15. Februar 2015"Die AfD gibt der bürgerlich-konservativen Mehrheit in Deutschland eine Stimme." Das behauptet die Alternative für Deutschland (AfD) von sich. Der betont selbstbewusst formulierte Satz steht im Vorwort zu den politischen Leitlinien der knapp zwei Jahre jungen Partei. Er liest sich wie eine Kampfansage an das traditionell konservative Lager, vertreten von Angela Merkels Christdemokraten und deren bayerischer Schwesterpartei CSU. Anfangs meinten die Unionparteien, aber auch alle anderen, das Phänomen AfD werde sich schnell in Luft auflösen. Inzwischen halten sie den Atem an, wenn es um den Emporkömmling geht. Der Grund: Die AfD ist 2014 mit jeweils zweistelligen Prozentzahlen in drei Landesparlamente eingezogen.
An diesem Sonntag könnte ihr bei der Hamburg-Wahl der Sprung in die Bürgerschaft gelingen. Meinungsforscher trauen der AfD dafür den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu. Ein Ziel, dass sie bei der Bundestagswahl im September 2013 mit 4,7 Prozent nur knapp verfehlt hat. Dennoch war das Ergebnis mehr als bemerkenswert, denn die Partei war erst fünf Monate vorher gegründet worden. Speisten sich die Erfolge anfangs aus der Ablehnung des Euro, sind inzwischen die Themen Einwanderung und Asylpolitik hinzugekommen. Und mit der Annäherung an die islamfeindliche Pegida-Bewegung hat die parteipolitische, aber auch wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der AfD eine neue Stufe erreicht.
AfD zwischen FPÖ und Front National
Der neue Stellenwert lässt sich auch daran erkennen, dass die Alternative für Deutschland kürzlich Thema auf einer internationalen Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in München war. Bezeichnenderweise lautete die zugespitzte Überschrift der Veranstaltung "Entgrenzter Rechtsextremismus?". Die AfD befand sich dabei in Gesellschaft mit europäischen Rechtsaußen-Parteien wie der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) oder Österreichs Freiheitliche (FPÖ). Aber auch der programmatisch deutlich radikalere Front National aus Frankreich und Ungarns Jobbik-Bewegung wurden gemeinsam mit der AfD unter dem Stichwort "Rechtspopulistische Offensive" analysiert.Der Politologe und Historiker Marcel Lewandowsky rät davon ab, schon jetzt ein abschließendes Urteil über die Partei zu fällen. Noch handele es sich um "schlaglichtartige Momentaufnahmen" von der Alternative für Deutschland. Allerdings würden "verdeckte rechtspopulistische" Positionen an Bedeutung gewinnen, meint der Wissenschaftler von der Hamburger Bundeswehr-Universität. Die teilweise offene AfD-Sympathie für Pegida-Positionen zum Islam und zur Integrationspolitik ist Beleg für diese Einschätzung. Noch bis zu den Landtagswahlen 2014 habe das Thema Nationalstaat im Vordergrund gestanden, verweist Lewandowsky auf die jüngsten Akzentverschiebungen.
Konservativ? Euroskeptisch? Rechtspopulistisch?
Die schwierige Einordnung der AfD in das politische Spektrum Deutschlands wie Europas spiegelt sich auch medial wieder. Mal wird sie als "euroskeptisch", mal als "rechtspopulistisch" etikettiert. Auch das Adjektiv "konservativ" kommt (noch) vor. Experte Lewandowsky hält die Positionen der Partei im Moment für "gemäßigt, aber populistisch". In einer zwar nicht repräsentativen, aber Anhaltspunkte liefernden Online-Umfrage ermittelte der Wissenschaftler ein aktuelles Bild von AfD-Sympathisanten. Laut dieser Erhebung sind sie meistens männlich, haben ein hohes Einkommen und eine gute Bildung.
Aufschlussreich könnten die Ergebnisse zu gesellschaftlichen Einstellungen sein. So halten besonders viele potenzielle AfD-Wähler den Islam für unvereinbar mit der demokratischen Ordnung oder lehnen es ab, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen. Solche Einstellungen spielen zumindest auch im klassisch konservativen Milieu nach wie vor eine größere Rolle, weniger bei Liberalen und Linken. Sie alle verloren zuletzt Stimmen an die Alternative für Deutschland. Etliche könnten jetzt den Weg zurück antreten, denn die fehlende Distanz zur Pegida-Bewegung geht vielen dann doch zu weit. Politologe Lewandowsky spricht deshalb auch von einem "strategischen Problem" für die junge Partei.
In der Union steigt die Nervosität
Sollte sich die AfD im deutschen Parteien-Spektrum halten können, bekäme aus machtpolitischer Perspektive vor allem die Union ein Problem. Keine Partei rechts von sich - das ist seit jeher ihr Anspruch. Aber die Nervosität steigt, wie das Beispiel des früheren Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich zeigt. Erscheinungen wie die AfD oder Pegida hätten sich seines Erachtens vor ein paar Jahren noch erledigt, "indem wir ihnen die Themen wegnehmen". So drückte es der CSU-Mann zum Jahreswechsel in einem "Spiegel"-Interview aus. Und er fügte hinzu: "Frau Merkel hat sich aber entschieden, der SPD und den Grünen die Themen wegzunehmen."
Was Friedrich damit meint und kritisiert: Die CDU hat sich zu sehr in die Mitte bewegt und den rechten Rand vernachlässigt. Den besetzen nun andere, mit denen die Bundeskanzlerin nach eigenem Bekunden auf keinen Fall kooperieren und schon gar nicht koalieren will. Sollte die Union ihre Meinung eines Tages ändern, würde sie sich dem gleichen Vorwurf aussetzen, den sie selber der AfD macht: populistisch zu sein.