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Portugal: Protest gegen Photovoltaik

Oliver Ristau
9. November 2021

Im portugiesischen Alentejo protestieren Bürger gegen einen geplanten Mega-Solarpark eines deutschen Investors, der den Solarstrom vermarkten will. Sie befürchten Nachteile für den Tourismus und fühlen sich übergangen.

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Es ist die Ruhe, die die Menschen aus der Großstadt anlockt: der Blick auf die sanften Hügel unter blauem Himmel, Korkeichen in der Ferne, der Duft nach Rosmarin. Susana und Ricardo Vaz sind vor 20 Jahren aus der portugiesischen Hauptstadt Lissabon in das ländliche Alentejo, eine Region im Süden des Landes, gezogen. Sie wollten Hektik gegen Beschaulichkeit tauschen und aus einem alten Bauernhof einen Ort für sanften Tourismus machen.

Diese Idylle, die sie und ihre drei Kinder bisher ernährt, sehen Susana und Ricardo bedroht. "Wenn der Solarpark kommt, dann können wir dicht machen", sagt Vaz frustriert und nippt auf der Veranda an einem Espresso. "Es ist, als ob man Dir einen Friedhof vor die Nase setzt. Dann kommt niemand mehr zu uns". Er zeigt in die Ferne, wo eine Rinderherde pittoresk Aufstellung genommen hat. Im Hintergrund recken sich Hochspannungsmasten in die Höhe. Ein paar Windräder drehen sich langsam. Statt Kühen soll dort künftig ein Meer aus Solarmodulen stehen, das Ökostrom für die Industrie anderswo liefert.

Hier bei dem Landstädtchen Cercal, rund zwei Stunden Autofahrt von Lissabon entfernt,plant der Investor Aquila Capital aus Hamburg ein Photovoltaik-Großprojekt mit insgesamt 270 Megawatt (MW) Leistung und einem Investment von 164,2 Millionen Euro. Dafür will er 380 Hektar mit Solartechnologie, Trafostationen und Stromleitungen bestücken und einzäunen. Die nationale Umweltbehörde APA hat für das Vorhaben grünes Licht gegeben.

Portugal Cercal | Protest gegen PV
Noch fließt der Strom lediglich durch die Überlandleitung - demnächst soll er aber auf diesen Feldern geerntet werdenBild: Oliver Ristau

Hohe Solarerträge

Aquila verwaltet in Portugal ein Photovoltaik-Portfolio von 700 Megawatt (MW), ist damit der vermutlich größte PV-Betreiber des Landes. Den Strom vermarktet das Unternehmen über Abnahmeverträge mit Dritten, so genannten PPA (Power Purchase Agreements).

Das Land lockt mit hohen Erträgen. So beträgt die solare Einstrahlung im Süden Portugals 1.900 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In Norddeutschland sind es nur 1.000 kWh. Kaum irgendwo anders ist der Solarstrom so billig wie in Portugal. Bei einer Auktion im Sommer 2020 wurde der mit 1,1 Cent je kWh in Europa bisher günstigste Abschluss getätigt.

Wer die Kundschaft sein wird, ist offen. Eine Option ist, den Grünstrom über die Hochspannungsleitung in die 50 Kilometer entfernten Hafenstadt Sines zu leiten, die viel sauberen Strom braucht. Der größte Seehafen Portugals will künftig nicht nur grünen Wasserstoff für den Export produzieren. Auch ein geplantes Mega-Datencenter benötigt 450 MW an Ökoenergien.

Der "Dialog mit unseren Stakeholdern und vor allem den Anwohnern und Gemeinden in der Nähe der Projektstandorte (ist uns) sehr wichtig", lässt Aquila auf Medienanfrage erklären. Diese Aussage irritiert die Bürgerinitiative Juntos pela Cercal ("Gemeinsam für Cercal"). "Von Aquila war hier niemand, obwohl wir das Unternehmen in einem offenen Brief zum Gespräch eingeladen haben", sagt Sergio Maraschin von der Initiative .

Bürger wollen klagen

Aquila verweist darauf, dass der Konsultationsprozess 30 Tage offen gewesen sei und es am Ende auch eine Bürgeranhörung gegeben habe. Die Information sei irgendwo auf einer Homepage verfügbar gewesen, von der niemand gewusst habe, entgegnet Maraschin. Der öffentliche Anhörungstermin habe dann nur zwei Tage vor Ende der Beteiligungsfrist stattgefunden. Die Initiative will deshalb gegen das Projekt klagen.

Auch mit der Botschaft, das Projekt werde erhebliche "positive wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region haben und zu deren Wachstum und Entwicklung beitragen" sorgt Aquila bei den Menschen im Alentejo für Kopfschütteln. Denn tatsächlich bescheinigt die Umweltprüfung der APA: "Der Betrieb des Photovoltaik-Kraftwerks wird schätzungsweise vier Dauerarbeitsplätze schaffen." Sollte sich die Sorge der Familie Vaz bewahrheiten und sie tatsächlich ihren Betrieb schließen müssen, gingen allein dadurch vier Arbeitsplätze verloren.

Aquila nennt als weiteren Positiveffekt die Pacht, die das Unternehmen an die Landbesitzer zahle. Diese leben aber zum großen Teil gar nicht in der Region, geben folglich ihre Einnahmen dort auch nicht aus. Bisher sind Landwirte die Pächter, die vor allem extensive Viehwirtschaft betreiben. Diese müssen sich nun anderweitig umsehen. Unklar ist zudem, wie viel der lokalen Grundsteuer, die Aquila zahlt, in der Gemeinde verbleibt.

Portugal Cercal | Protest gegen PV
Die Region Alentejo ist bei Touristen beliebt und ist auch ein vielversprechender Standort für die SonnerstromproduktionBild: Oliver Ristau

Beteiligung an Gewinnen

Die Bürgerinitiative betont, dass sie Solarstrom grundsätzlich befürworte. "Bevor wir aber intakte Landschaften und Ackerland zupflastern, sollten wir mit Industriebrachen, alten Steinbrüchen oder wie in Deutschland entlang von Autobahnen anfangen", sagt Maraschin.

Auch in Deutschland werden mit dem Preisverfall bei Photovoltaik-Anlagen immer mehr Projekte auf der grünen Wiese installiert. Auch damit sind Konflikte wie im Alentejo vorprogrammiert. Investoren sind deshalb gut beraten, sich frühzeitig mit Opponenten ins Benehmen zu setzen.

Denn eine Forderung eint wohl alle lokalen Photovoltaik-Gegner: die nach wirtschaftlicher Teilhabe. "Es kann nicht sein, dass die betroffenen Gemeinden die Lasten tragen, während die Gewinne fast komplett abfließen". Klingt ganz so, als wenn die Bürgerinitiative Juntos pela Cercal noch einigen Widerstand leisten wird.