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"Unwahrscheinlich, dass Iraner eigenes Unglück herbeibomben"

Christina Ruta20. Juli 2012

Steckt Teheran hinter dem Selbstmordattentat auf einen israelischen Touristenbus? Walter Posch von der Stiftung Wissenschaft und Politik hält das für unwahrscheinlich.

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Beim Anschlag auf einen israelischen Touristenbus in Bulgarien wurden sieben Menschen getötet und mehr als 30 verletzt.
Bild: AP

Deutsche Welle: Herr Posch, bei dem Bombenanschlag am Mittwoch (18.07.2012) in Bulgarien hat der Selbstmordattentäter sechs Menschen mit in den Tod gerissen, darunter fünf israelische Touristen. Israels Regierung hat den Iran und die von Iran unterstützte libanesische Hisbollah verantwortlich gemacht. Die Regierung in Teheran bestreitet das. Können Sie sich vorstellen, dass der Iran oder die Hisbollah hinter dem Anschlag steckt?

Walter Posch: Die Iraner sind momentan extrem vorsichtig in all ihren Schritten. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Hisbollah gerade jetzt in einer Zeit, wo sie massiv unter Druck ist, leichtfertig Anschläge verübt, vor allem weil sie ja keine wirkliche Erfahrung damit hat, im europäischen Ausland Bombenanschläge zu verüben. Aber die Nervosität ist auf beiden Seiten groß.

Walter Posch ist Iran-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin
Walter Posch ist Iran-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in BerlinBild: picture alliance/APA/picturedesk.com

Anfang des Jahres wurden Anschläge auf israelische Diplomaten in Indien, Thailand, Aserbaidschan und Georgien verübt oder geplant. Ein Zufall? Ist zu befürchten, dass eine ganze Anschlagsserie geplant ist?

Wenn die Iraner es schon auf diese Stufe gebracht haben sollten, dann wäre die Eskalation eigentlich nicht mehr aufzuhalten. Ich bin mir aber da nicht ganz sicher. In das iranische Schema passt der Anschlag in Aserbaidschan und Georgien, aber Indien will mir nicht einleuchten. Das iranische Ministerium für Nachrichtendienst und Sicherheit ist eigentlich momentan ausgelastet mit der internen Überwachung. Und der Quds-Armee, also der Einheit, die für die Auslandsoperationen beispielsweise in Afghanistan und Irak zuständig ist, gehen die Leute aus. Wenn Iran zu Ayatollah Khomeinis Zeiten keine israelischen Diplomaten angegriffen hat - warum dann jetzt, wo das Regime doch weit mehr zu verlieren hat und auch an einer Verhandlungslösung interessiert ist?

In Februar wurde die Frau eines israelischen Diplomaten bei einem Anschlag in Neu Delhi getötet
In Februar wurde die Frau eines israelischen Diplomaten bei einem Anschlag in Neu Delhi getötetBild: dapd

Wer könnte sonst dahinter stecken? Vielleicht jemand, der Interesse daran hat, dass sich das Verhältnis zwischen dem Iran und Israel weiter verschlechtert?

Also, ich glaube kaum, dass das Verhältnis noch viel schlechter werden kann. Die Iraner stehen unter massivem Druck, sie spüren die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft. Die Israelis sind relativ gestärkt. Gegen die Hisbollah regt sich Widerstand im Libanon, der syrische Patron ist geschwächt. Man hat im Süden noch die Israelis. Also, der Druck ist schon recht groß. Ich glaube, dass beide Akteure, sowohl der Iran als auch die Hisbollah, derzeit schwächer sind als allgemein angenommen wird. Die Zeiten, wo man sich vor ihnen massiv fürchtete – auch weil man sie kaum kannte – und wo sie mit der Terrorwaffe drohen konnten, scheinen mir vorbei zu sein. Als Verzweiflungstat, wenn Iran oder Hisbollah einmal angegriffen werden sollten, ja, da kann ich mir viel vorstellen. Aber dass sie das eigene Unglück sozusagen gerade herbeibomben, das scheint mir schon sehr unwahrscheinlich.

Eine Vergeltung für die Mordserie an iranischen Atomwissenschaftlern, für die Iran Israel verantwortlich macht, halten Sie also für ausgeschlossen?

Das wäre, glaube ich, zu leicht. Da würden sie sich auch nicht einen Touristenbus aussuchen. Wobei wir auch bei der Mordserie auf die iranischen Atomwissenschaftler nicht genau wissen, dass das die Israelis waren. Die Logik passt zusammen, aber wir haben einfach keinen wirklichen Beweis. Liest man sich die iranischen Erklärungen und Berichte genauer durch, fällt auf, dass das die Standardpropaganda ist, aber kaum glaubwürdiges Material, kaum wirklich glaubhafte Hinweise von der iranischen Seite veröffentlicht sind, die ohne Zweifel nachweisen würden, dass die Israelis beteiligt waren.

Selbst wenn Iran oder Hisbollah nicht verantwortlich sind - haben diese Anschläge Folgen für die israelisch-iranischen Beziehungen?

Ich glaube, nicht sofort. In beiden Staaten sind gerade im Sicherheitsapparat eher besonnene Leute am Ruder, die genau wissen, dass eine offene Konfrontation unabsehbare Folgen haben könnte. Es gibt einen Krieg der Geheimdienste, aber der ist dann natürlich wirklich geheim. Da wird dann um jede Position an Einfluss sowohl in Afrika, als auch in Südamerika und gerade im Nahen Osten gekämpft. Da herrscht schon seit Jahrzehnten ein unausgesprochener Krieg. Schlimm wäre es natürlich, wenn die Israelis zu der Überzeugung kämen oder die iranischen Drohungen immer mehr Israelis und vor allem den Sicherheitsapparat zur Überzeugung brächten, dass die Iraner entweder selbst hinter dem Anschlag in Bulgarien stecken oder sie so etwas billigen. In dem Fall kann man sich ausrechnen, dass es dann zu einer Vergeltung kommen müsste. Allerdings glaube ich nicht, dass Netanjahu jetzt sofort die Flugzeuge steigen lässt oder sonst irgendwelche dramatischen Aktionen ausführt.

Weiß denn die iranische Regierung immer, was ihr Geheimdienst macht?

Die Regierung weniger, aber der Revolutionsführer ja. Wenn man soweit geht, dass man israelische Zivilisten angreift und tötet, dann müsste das von oben abgesegnet worden sein.

Also müssen wir nicht damit rechnen, dass Israel noch diesen Monat seine Pläne, Iran anzugreifen, verwirklicht?

Also diese Pläne gehören wohl eher in den Bereich der Public Relations. Ich glaube, dass sie eher dazu dienen, wankelmütigen Sanktionsunterstützern klar zu machen: Wenn ihr nicht bei den Sanktionen ganz scharf seid, dann müssen wir eingreifen.

Der Iran-Experte Walter Posch ist seit Anfang 2009 der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.