Al-Chatib soll die zersplitterte syrische Opposition einen
12. November 2012
Der 1960 geborene Ahmed Moaz al-Chatib ist in Syrien eine bekannte Figur. Er war Imam an der berühmten Omayyaden-Moschee in der Hauptstadt Damaskus. Im März 2011 hatte er die friedlichen Proteste gegen die Regierung von Baschar al-Assad mit organisiert. Nachdem er mehrmals festgenommen worden war, setzte er sich ins Ausland ab. Eine Integrationsfigur - so beurteilt ihn der Syrien-Experte Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der als moderat geltende Prediger solle die religiösen und die säkularen Oppositionskräfte miteinander versöhnen. Vor allem die nichtreligiösen Regimegegner wollen Wimmen zufolge die Sicherheit, "dass nicht Strömungen, die den Muslimbrüdern allzu nahe stehen, oder gar radikalere islamische Strömungen die Oberhand gewinnen".
Auch David Butter, Syrien-Forscher an der Londoner Denkfabrik Chatham House, sieht den Religionsgelehrten al-Chatib als Mann des Ausgleichs. Da der gemäßigte Prediger keiner politischen Strömung angehöre, könne er gut als Vermittler zwischen den verschiedenen Lagern der Assad-Gegner auftreten. "Für außenstehende Beobachter ist es eine angenehme Überraschung, dass jemand wie er ganz an die Spitze kommen konnte", sagt Butter im DW-Interview.
Einigung nach langen Beratungen
Nachdem die Vertreter mehrerer Oppositionsgruppen eine Woche lang in Katars Hauptstadt Doha beraten hatten, einigten sie sich am Sonntag (11.11.2012) auf eine Koalition. Zum Vorsitz dieser "Nationalen Syrischen Koalition der Oppositions- und Revolutionskräfte" gehören neben al-Chatib auch der langjährige Regimekritiker Riad Seif und die Widerstandsaktivistin Souheir al-Atassi. Die Konferenzteilnehmer haben außerdem beschlossen, möglichst viele der bewaffneten Gruppen in Syrien einem Obersten Militärrat zu unterstellen.
Zuvor waren alle Versuche gescheitert, die völlig zersplitterte Opposition zu einen. Gegen das Regime in Damaskus haben sich religiöse wie nichtreligiöse Gruppen und ganz einfach viele syrische Bürger erhoben. Einzelne Intellektuelle, die einflussreiche Muslimbruderschaft und kurdische Gruppen sind ebenso im Widerstand wie einige radikale Dschihadisten und viele andere Parteien und Bewegungen.
Exilregierung als Ziel
Lange Zeit galt der Syrische Nationalrat (SNC) im Ausland als wichtigste Vertretung der Regimegegner. Doch zuletzt hatten sich die USA und andere Staaten von dem Gremium abgewandt, weil es ihnen zu ineffektiv im Kampf gegen die Regierung in Damaskus war. Auf Druck der westlichen und arabischen Staaten hatte sich der Nationalrat schließlich in Doha mit anderen Oppositionsgruppen an einen Tisch gesetzt und der Vereinbarung zugestimmt. "Das bedeutet erst einmal, dass wir jetzt eine größere Vertretung der syrischen Opposition im Ausland haben", wertet Wimmen das Ergebnis. Nun werde ein breiteres Spektrum der syrischen Gesellschaft repräsentiert. "Die Absicht dahinter ist, mittelfristig eine Regierung im Exil zu bilden", sagt der Berliner Forscher.
Die Erwartungen an die Nationale Koalition sind groß. Sie soll dem neuen Oppositionsblock möglichst breite internationale Anerkennung bringen, so Syrien-Forscher David Butter. Vor allem müsse die Exilopposition zeigen, dass sie gut vernetzt sei mit dem Widerstand in Syrien. Außerdem soll sie mehr internationale Unterstützung einwerben. Dafür ist Ahmed al-Chatib kurz nach seiner Wahl zum Treffen der Arabischen Liga nach Kairo gereist. Der Imam wird nun zeigen müssen, ob der Widerstand in Syrien die Regierung militärisch besiegen kann. "Die Hoffnung ist, dass auf diese Weise der internationale Druck auf das Regime soweit wächst, dass es entweder zusammenbricht oder wesentliche Zugeständnisse in Verhandlungen machen muss", sagt David Butter vom Londoner Chatham House.
Politiker in den westlichen Hauptstädten begrüßen den neuen Zusammenschluss. Das Abkommen sei "ein wichtiger und begrüßenswerter Schritt", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). US-Außenamtssprecher Mark Toner sprach von einem Meilenstein auf dem Weg zu einem Ende der Assad-Herrschaft in Damaskus.
Nicht alle Oppositionsgruppen sind eingebunden
Allerdings sind nach der Einigung in Katar noch viele Fragen offen. Auch diesmal sind längst nicht alle Regimegegner einbezogen. Zum Beispiel macht das "Nationale Koordinationskomitee für demokratischen Wandel der syrischen Kräfte" nicht mit - dahinter stecke ein Dutzend kleinerer Parteien, erklärt Experte Heiko Wimmen. Auch die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD), die der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahesteht, verfolge weiter ihre eigenen Ziele. Wie viele der separat operierenden lokalen Widerstandskomitees in Syrien sich an das Abkommen halten, sei ebenfalls unklar. Zusätzlich gibt es laut Butter immer das Risiko, dass zunächst beteiligte Gruppen wieder ausscheren. So hatte sich der Syrische Nationalrat dagegen gestemmt, seine bisherige Führungsrolle zu teilen. Ob er mit seiner künftigen Position in der Nationalen Koalition zufrieden sein wird, muss sich zeigen.
Syrische Oppositionsgruppen wünschen sich für ihren Kampf gegen die Assad-Diktatur vor allem mehr ausländische Unterstützung. Während einige Länder wie Katar und die Türkei einzelnen Gruppen bereits militärisch und logistisch helfen, zögern westliche Regierungen. Europäer und Amerikaner befürchten, unfreiwillig Extremisten zu unterstützen. Eine möglichst breite Opposition unter moderater Führung würde es dem Westen erleichtern, beispielsweise der Freien Syrischen Armee Waffen zu liefern. Für Wimmen stellt sich allerdings die Frage, was dann passiert. "Es ist wahrscheinlich nicht zielführend, wenn man den Rebellen militärische Mittel gibt, um den Kampf weiter zu intensivieren, aber nicht genug, um ihn zu gewinnen", sagt er. "Dann eskaliert der Konflikt nur und die Opferzahlen steigen weiter."