Eine Menge Holz
24. Juni 2008Silbern schimmert das Fernheizkraftwerk Sandviken, ein Industriebau vor den Toren der südschwedischen Stadt Växjö. Auf dem Hof fährt ein Laster nach dem anderen vor, Holzspäne, Torf und klein gehäckselte Zweige wachsen zu einem hohen Berg heran. Mit riesigen Baggerschaufeln wird der Holzstoff in einen offenen Schacht geschüttet und gelangt so über Laufbänder ins Innere des Werkes, erklärt Lotta Tranvik, Chemie-Ingenieurin bei Sandviken das Verfahren.
Wenn das Werk auf Hochtouren läuft, benötigt es 50 Tonnen pro Stunde. Das sind ungefähr 150 Kubikmeter Holzbrennstoff. Das seien ziemlich große Volumina, sagt Tranvik. Dafür brauche das Werk die Ladung von eineinhalb Lastwagen mit Anhänger pro Stunde, rund um die Uhr.
Nachwachsendes Holz statt versiegender Ölquellen
Heute versorgt Sandviken fast die gesamte Innenstadt von Växjö mit Heizwärme und liefert etwas mehr als die Hälfte des benötigten Stromes. Die Umstellung von Öl auf Holzabfälle hat hier bereits vor knapp 30 Jahren stattgefunden. Seit 1980, als sich die Schweden in einer Volksabstimmung gegen die Atomenergie aussprachen, kann die Anlage auch Biomasse verarbeiten.
Der Heizkessel Sandviken II, der in den 1990er-Jahren gebaut wurde, wird zu 95 Prozent mit nachwachsenden Rohstoffen betrieben. Er braucht zehn Mal so viel Holzstoff wie Ölvolumen, um die gleiche Menge Energie herzustellen. Der Holzstoff aber bilde sich nach, erklärt Lotta Tranvik. Wenn ein Baum gefällt werde, werde auch ein neuer gepflanzt. "Und die Asche, die sich beim Verbrennen bildet, bringen wir auch zurück in den Wald. Damit führen wir die Mineralien zurück, die wir dem Wald entzogen haben. Das ist ein ständiger Kreislauf", so Tranvik.
Alte Technik mit neuer Verwendung
Bei der Umstellung auf ein Leben ohne fossile Brennstoffe geht es auch in Växjö um die Frage, wie sich aus biologischen Abfallstoffen mit wenig Reibungsverlust neue Energie herstellen lässt. In der Gemeinde mit ihren 80.000 Einwohnern hat man damit bereits seit mehr als zehn Jahren Erfahrungen gesammelt. 1996 beschloss der Magistrat der Stadt, Växjö in Zukunft unabhängig von fossilen Brennstoffen zu machen. Zugleich holten die Politiker Wirtschaft und Wissenschaft mit ins Boot.
Im Forschungsprojekt "Chrisgas" an der Universität Växjö etwa wird untersucht, wie sich im waldreichen Schweden in Zukunft aus Holz auch Treibstoffe für Autos herstellen lassen.
Projektkoordinator Sune Bengtsson erklärt, dass es um die Abfälle aus dem Wald gehe, das, was weder für die Papier- noch für die Holzproduktion eine Rolle spiele: Spitzen, Zweige und Stümpfe, die im Wald liegen bleiben, verrotten und Methan produzieren. Daraus stellen sie ein reines Synthesegas her, das als Baustein für Fahrzeugkraftstoffe dienen könne. "Diese Technik ist ein alter Hut, sie wurde Anfang des letzten Jahrhunderts in Deutschland entwickelt, da ging es um die Vergasung von Kohle zu synthetischem Diesel. Einen ähnlichen Prozess entwickeln wir jetzt für den Waldabfall", erklärt Begntsson. In fünf Jahren könnte das Verfahren kommerziell genutzt werden.
Bis zu einem Viertel der Fahrzeugkraftstoffe könnten in Schweden dann zukünftig aus Holz gewonnen werden, so die optimistische Prognose des Wissenschaftlers. Ziel sei, das Niveau des CO2-Ausstoßes durch fossile Brennstoffe aus dem Jahr 1993 bis 2010 zu halbieren, sagt So Hie Kim-Hellström, die beim Magistrat Växjös für die Koordination von Umweltprojekten zuständig ist.
Auch Kleinvieh macht Mist
"30 Prozent haben wir bereits erreicht, jetzt geht es vor allem um Transport- und Verkehrsfragen, die wir klären müssen. Wir setzen auf das Fahrrad, bauen den Nahverkehr aus. Es geht aber auch um eine andere Denkweise jedes Einzelnen", meint Kim-Hellström.
Die lässt sich besonders gut beeinflussen, wenn es um den eigenen Geldbeutel geht. So brachte der Einbau von individuellen Wasser- und Stromzählern in mehreren hundert Wohnungen innerhalb eines Jahres eine Energieersparnis von einem Drittel. Es sind also auch die ganz einfachen Lösungen, die in Växjö zum Tragen kommen.