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Pressestimmen: "Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte"

9. Dezember 2008

Über die schweren Ausschreitungen in Griechenland machen sich auch die Kommentatoren großer europäischer Zeitungen so ihre Gedanken. Manche sind überrascht, andere gar nicht.

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Symbolbild Internationale Presseschau

Die "Neue Zürcher Zeitung" meint am Dienstag (09.12.2008):

"Vom Ausmass der Proteste überrascht, reagierte die konservative Regierung ratlos. Jetzt rächt es sich, dass der Ruf nach einer umfassenden Bildungsreform von der Regierung in Athen jahrelang ignoriert worden ist. In Griechenland ist der Anteil der Akademiker an der Gesamtbevölkerung einer der höchsten aller EU-Länder. Nach dem Abschluss des Studiums finden die meisten keine Arbeit. Die Frustrationen nehmen zu. Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Existenzängste vieler Jugendlicher noch grösser geworden."

In der liberalen spanischen Zeitung "La Vanguardia" (Barcelona) ist zu lesen:

"Die Welle der Gewalt hat in Griechenland niemanden überrascht. Der Tod eines 15-jährigen Schülers war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die griechische Polizei steht schon seit langem wegen ihrer oft übertriebenen Härte in der Kritik. Hinzu kommt, dass die Regierung aufgrund ihrer Ineffektivität in weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend auf Ablehnung stößt. Seit den verheerenden Waldbränden im vorigen Jahr ist das Ansehen von Ministerpräsident Kostas Karamanlis rapide gesunken. Das Ende des griechischen Wirtschaftswunders, die galoppierende Krise und Korruptionsskandale im Umfeld der Regierung bewirkten ein Übriges."

Der Mailänder "Corriere della Sera" kommentiert:

"Es ist klar, dass die momentane Entwicklung der Ereignisse (in Griechenland) keine Voraussagen zulässt. Denn die Ermordung des jungen Schülers, Sohn einer gutbürgerlichen Familie, polarisiert auch die jugendlichen Anhänger der Regierungspartei (...). Und so besteht das Risiko, dass die Raserei extremistischer Minderheiten, Griechenland zum Kollaps bringt."

Die römische Tageszeitung "La Repubblica" meint:

"Die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei in Griechenland … sind einerseits eine hässliche Überraschung. Andererseits zeigen sie, wie schwer die weltweite Finanzkrise wiegen kann in den wirtschaftlich schwächer gestellten Ländern, wie sie Unruhen auf die Straßen bringt. Und es ist dort - im Kontext der Krise und der Ängste, die sie schürt in den einkommenschwächeren Klassen - wo die tragische Episode vom Samstagabend anzusiedeln ist, bei der ein Polizist einen 15-jährigen Jungen erschossen hat."

Die konservative Wiener Zeitung "Die Presse" sieht es so:

"Die zerstörerische Wut der griechischen Anarchisten entbindet sie nicht von der Verantwortung, die auch sie für den Tod des 15-jährigen Buben tragen. Seit Jahren finden es die Linksautonomen besonders lustig, Banken anzuzünden oder Polizisten anzugreifen. Irgendwann musste ein Unglück geschehen. Es ist schade um die kritische Energie dieser Jugendlichen (...). In demokratischen Gesellschaften stünden Millionen andere Wege offen, den Freiheitsdrang auszuleben, als hirnlose Katz-und-Maus-Spiele mit der Polizei."

Das "Luxemburger Wort" geht den Ursachen der Krawalle auf den Grund:

"Wenn jedoch solch ein ernster, aber isolierter Vorfall derartige Folgen zeitigt, dann hat dies meist tiefer liegende Ursachen, wie die Erfahrungen anderer Länder mit sozialen Brennpunkten wie Frankreichs Banlieues oder (Ost-)Deutschlands rechtsradikales Milieu lehren. (...) Offenbar griffen die Proteste nunmehr aus dem linksradikalen Lager um sich, weil es in Griechenland reichlich sozialen Sprengstoff gibt, besonders in der Jugend. Viele Schul- und Universitätsabgänger in Griechenland finden heute keinen Arbeitsplatz mehr. Dieses Problem entschuldigt zwar nicht die hemmungslose Gewaltorgie auf den Straßen, hilft aber, die weit verbreitete Unzufriedenheit unter der Jugend zu verstehen. Finanzskandale in der Regierung tragen ihr Scherflein dazu bei. Vierzehn Monate nach den Wahlen hat die amtierende Premier Kostas Karamanlis damit ein Problem." (mas)