Pro und Contra: Inklusion im Sport?
7. August 2014Da staunte der Laie und die Fachwelt wunderte sich. Der Weitspringer von Bayer Leverkusen wurde am 26. Juli 2014 in seiner Disziplin Deutscher Meister, obwohl er behindert ist. Mit einer Weite von 8,24 Meter schlug der den nicht behinderten Ex-Europameister Christian Reif um vier Zentimeter, ließ also die gesamte nichtbehinderte Konkurrenz hinter sich. Seit einem Sportunfall vor elf Jahren ist der 25-Jährige Markus Rehm unterschenkelamputiert.
Bei Wettkämpfen trägt der gelernte Orthopädietechniker-Meister eine Prothese aus Karbon. Um diese Prothese drehen sich Spekulationen und Diskussionen: Ist sie eine Behinderung beim Sport oder verschafft sie Rehm einen entscheidenden und damit unerlaubten Vorteil? Weil diese Frage nicht geklärt ist, gilt der Sieg des Athleten bei den Deutschen Meisterschaften zunächst nur unter Vorbehalt.
Keine Teilnahme bei der Europameisterschaft
Vier Tage nach Markus Rehms Sieg gab der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) bekannt, dass der Weitspringer nicht an den Europameisterschaften teilnehmen darf, die vom 12. Bis 17. August 2014 in Zürich ausgetragen werden. Zur Begründung führt Clemens Prokopp, der Präsident des Verbands an, dass "deutliche Zweifel" daran bestünden, "dass Sprünge mit Beinprothese und mit einem natürlichen Sprunggelenk vergleichbar sind". Messungen hatten ergeben, dass Rehm trotz eines langsameren Anlaufs eine höhere Vertikalgeschwindigkeit erreichte als seine Konkurrenten, im Ergebnis also weiter sprang.
Inklusion im Sport gescheitert?
Im vielfältigen Durcheinander der Stimmen, die sich nach der Entscheidung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes zur Nicht-Nominierung Rehms erhoben, lassen sich im Wesentlichen zwei Strömungen ausmachen. Erstens: Die Entscheidung sei eine Benachteiligung behinderter Sportler und ein Rückschlag für die Inklusion innerhalb der Gesellschaft. Stimmenlager zwei betont dagegen, im Sport müsse es fair zugehen. Solange nur der geringste Zweifel an einer Chancengleichheit im Wettkampf bestehe, dürfe Markus Rehmer nicht starten. "Die Verbände haben die regeltheoretischen Entscheidungen zu treffen. Das hat mit Inklusion oder Gegeninklusion nichts zu tun", sagt Helmut Digel, deutsches Mitglied im Führungsgremium des Weltleichtathletikverbandes IAAF. Wer hat also recht?
Der betroffene Markus Rehm hat inzwischen seinerseits ein Beispiel für Fair Play gegeben. Trotz großer Zweifel an der Richtigkeit seiner Nichtnominierung für die Leichtathletik-EM in Zürich will er sie juristisch nicht anfechten. Doch ist der Fall für ihn nicht erledigt: "Es darf nicht in den Köpfen bleiben, dass ich nur wegen der Beinprothese gewonnen habe. Das wäre ein extrem falsches Bild", so der Weitspringer. Er wird also weiter kämpfen.