Profit mit Schulden
1. August 2007Der Fall Sambia erregte vor einigen Wochen Aufsehen. Der Investmentfond Donegale hatte 1999 Rumänien seine Forderungen an das südafrikanische Land Sambia für gut drei Millionen US-Dollar abgekauft. Die Schulden waren Altlasten aus den 1970er Jahren, als Sambia 15 Millionen US-Dollar für den Kauf rumänischer Traktoren geliehen hatte. Der afrikanische Staat war so verschuldet, dass er seine Schulden an Rumänien nicht zurückzahlen konnte, als der Kredit in den 1990er Jahren fällig geworden war.
Prozess gegen Sambia
Bei den G8-Gipfeln 1999 in Köln und 2005 in Gleneagles wurde schließlich den so genannten hoch verschuldeten armen Ländern ("Highly Indebted Poor Countries" HIPC) ein großer Teil ihrer Schulden erlassen. Die Länder sollten das eingesparte Geld in Schulen, Krankenhäuser und andere Infrastruktur-Projekte investieren. In Sambia schlug stattdessen der auf den britischen Virgin Islands ansässige Geier Donegale zu.
Donegale zog vor ein Londoner Gericht und verklagte Sambia auf Rückzahlung der 15 Millionen Dollar Schulden - plus Zinsen und Zinseszinsen. Insgesamt forderte Donegale 55 Millionen Dollar. Die bekam der Fonds nicht. Allerdings nur deshalb, weil beim Verkauf der Schulden an den Fonds der damalige sambische Präsident kräftig mitverdient hatte. Donegale hatte ihn mit einer Million Dollar geschmiert, damit er der Transaktion zustimmte. Trotzdem: Das Gericht sprach Donegale immerhin 17 Millionen US Dollar zu. Sambia muss also zahlen. Und zwar ziemlich genau die Summe, die dem Land durch den Schuldenerlass für 2007 an Kreditzahlung erspart geblieben wäre. Für Donegale bedeuten die 17 Millionen eine Rendite von mehr als 500 Prozent. "Rechtlich ist dem nichts entgegenzusetzen", sagt Peter Lanzet vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). "Das sind Schuldverträge und der Gläubiger hat das Recht, diese Verträge an einen anderen Gläubiger weiterzuverkaufen, der dann die Forderungen übernimmt." Dieser neue Gläubiger habe dann die gleichen Möglichkeiten wie der ursprüngliche Gläubiger die Mittel einzutreiben.
Schulden statt Schulen
Für das relativ kleine Sambia mit seinen rund 11,5 Millionen Einwohnern könnte sich diese neue Schuldenlast bald im Alltag bemerkbar machen. "Das Geld hätte für soziale Bereiche wie Bildung und Gesundheit ausgegeben werden sollen", sagt Muyatwa Sitali von der sambischen Nicht-Regierungsorganisation (NGO) Jubilee. "Wir rechnen damit, dass Schulen und sogar Krankenhäuser mit Engpässen konfrontiert werden. Es wird an Lehrern und vielleicht sogar an sehr entscheidenden Medikamenten fehlen."
Sambia ist bei weitem kein Einzelfall. Auch über vielen anderen Ländern kreisen die gierigen Investoren: Laut Weltbank sind zurzeit 44 Verfahren anhängig, der Streitwert liegt bei rund 1,9 Milliarden US Dollar. In 26 Fällen haben Fonds schon Recht bekommen. Und insgesamt könnten, so schreibt die Weltbank, noch 3,5 Milliarden US Dollar erstritten werden. Was das in der Praxis bedeutet? "In Afrika kostet der Schulbesuch eines Kindes im Durchschnitt 50 Dollar pro Jahr", rechnet Peter Lanzet vor. "Dann könnte man mit 3,5 Milliarden den einjährigen Schulbesuch von etwa 70 Millionen Kindern in Afrika bezahlen. Das bedeutet das."
Insolvenzverfahren statt Schuldenhandel
Den Geierfonds muss ein Riegel vorgeschoben werden - darin sind sich Muyatwa Sitali und Peter Lanzet einig. Auch die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul verurteilte die Praxis der Geierfonds in einem Zeitungsinterview. Das Vorgehen der Fonds sei "zynisch und moralisch verwerflich", sagte die Ministerin. Empörung, die sich Sitali auch von den anderen Gläubigerländern erhofft. "Donegale nutzt die Entschuldung, die andere Länder gewähren, für sich aus. Dazu gehören die G8-Länder. Diese Länder sollten verärgert darüber sein, dass ein Gläubiger, der auch noch aus einem dieser Länder kommt, so etwas tut." So fordert die sambische NGO Jubilee, dass die G8-Länder und auch die Mitgliedsstaaten des Paris Clubs endlich etwas gegen die Geierfonds unternehmen.
Peter Lanzet setzt sich für ein transparentes Schiedsverfahren ein. "Insbesondere Großbritannien und die USA müssten sich aber dafür bewegen", sagt Lanzet. Damit steht er nicht allein da; viele international anerkannte Ökonomen fordern ein solches Verfahren. "Wenn der Schuldner sich mit seinen Gläubigern an einen Tisch setzen könnte, um die Forderungen zu bereinigen und neue Vereinbarungen zu treffen, wäre das die richtige Vorgehensweise", sagt der Entwicklungsexperte. Dann könne man auch sagen, was nicht an diesem Tisch besprochen wurde, könne nachher nicht eingeklagt werden. Bisher sei das aber besonders von den USA und Großbritannien blockiert worden, sagt Lanzet. Der Grund dafür ist für ihn klar: "Die haben die größten Finanzplätze. Die City in London und die Wall Street sind nicht daran interessiert, dass es ein solches internationales Insolvenzverfahren gibt, denn sie wollen ihre Forderungen eintreiben. Koste es, was es wolle."