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Prominente für politische Gefangene in Belarus

Tatsiana Weinmann | (Adapt.:Markian Ostaptschuk)
16. Dezember 2020

Milo Rau, Herta Müller, Frank Schätzing und viele weitere Prominente fordern mit "100 x Solidarität" die Freilassung der inhaftierten Regimegegner in Belarus.

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Der Schweizer Regisseur Milo Rau
Engagiert sich: der Schweizer Regisseur Milo RauBild: Phile Deprez

Mehr als 50 bekannte Namen sind es bereits, die sich mit den politischen Gefangenen in Belarus solidarisieren. Darunter die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, der deutsche Philosoph Jürgen Habermas, der Schweizer Regisseur und Dramaturg Milo Rau, die Violinistin Anne-Sophie Mutter.

Am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, wurde mit der Internetseite"100 x Solidarität" eine Aktion gestartet, die von der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) in Zusammenarbeit mit dem belarussischen Menschenrechtszentrum "Viasna" initiiert wurde. Auf der linken Seite der Website sind Porträts bekannter deutscher Politiker, Intellektueller, Wissenschaftler, Kirchenvertreter, Schriftsteller, Journalisten und Sportler zu sehen, hinter denen sich Worte der Unterstützung verbergen.

Rechts gegenüber finden sich 156 Namen politischer Gefangener in Belarus, darunter Jewgenij Afnagel, Iwan Andruschojt, Viktor Babariko, Eduard Babariko, Kasja Budko, Anastasia Bulybenko, Maria Kolesnikowa. Gegen viele von ihnen laufen bereits im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl im Sommer 2020 und den darauffolgenden Protesten politisch motivierte Strafverfahren. Sowohl die Demonstranten in Belarus als auch die demokratische Weltgemeinschaft fordern die Freilassung der Gefangenen.

"Diese Sache ist sehr bedeutsam für uns alle"

"Die EKD verfolgt seit dem Sommer die Situation in Belarus sehr aufmerksam und sieht die staatliche Gewalt gegen die Freiheitsbewegung mit großer Sorge", sagt Annika Lukas, Pressesprecherin der Evangelischen Kirche Deutschlands. Angesichts zahlreicher neuer Strafverfahren und Verhaftungen von Menschen aus der belarussischen Freiheitsbewegung sei die Aktion "100 x Solidarität" Anfang Dezember kurzfristig angesetzt worden. "Die Aktion richtet sich gleichermaßen an die breite Öffentlichkeit in Belarus, wie auch an die belarussische Freiheitsbewegung als Zeichen der Ermutigung und Hoffnung, und als Aktion gegen das Vergessen derjenigen, die unschuldig inhaftiert sind", so Lukas.

Der Autor Frank Schätzing
Frank SchätzingBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Auch Schriftsteller Frank Schätzing beteiligt sich an der Solidaritätsaktion: "Mut steht am Anfang des Handelns, sagt Demokrit, Glück am Ende," wird er auf der Website zitiert. "Die Menschen in Belarus zeigen beispiellosen Mut. Und gehen dafür ins Gefängnis. Sie werden nur dann das Glück auf ihrer Seite haben, wenn sie uns an ihrer Seite haben. Wenn wir die Menschen in Belarus mit demselben Mut unterstützen, mit dem sie gegen die Diktatur auf die Straße gehen, dann können sie gewinnen."

Milo Rau im Kontakt mit Künstlern in Belarus

Ein weiterer Teilnehmer der Aktion ist der Schweizer Regisseur Milo Rau. Als die Proteste in Belarus losgingen, hatte er einen Zoom-Workshop mit Künstlern aus Minsk. So erfuhr er von den Ereignissen. "Ich mache bei der Aktion mit, weil ich das Gefühl habe, dass das Thema in den ersten zwei Monaten hier im Westen extrem präsent war, dann ist es ein bisschen weggerutscht", bedauert Rau im Gespräch mit der DW.

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Internetseite "100 x Solidarität"Bild: Screenshot/www.100xsolidaritaet.de

Bis heute halte er Kontakt nach Belarus. "Ich habe gemerkt, dass die Menschen dort, vor allem die Künstler, zu denen ich Kontakt habe, extrem darauf angewiesen sind, dass man das weiterverfolgt", berichtet er und betont, dass es sich dabei auch um eine mediale Problematik handele. Den Aufruf deutscher Prominenter findet er gut. "Es ist sehr wichtig, dass wir das als Europäer gemeinsam durchstehen", sagt Rau. "Wenn sich so ein Regime innerhalb von Europa halten kann, dann ist es ein extrem schlechtes Beispiel. Das ist inakzeptabel, strukturell gesehen. Diese Sache ist sehr bedeutsam für uns alle.".

Am 17. Dezember wird sein neuer Film "Das neue Evangelium" im Internet uraufgeführt. Dieser habe eine universale Botschaft: "Würde, Gerechtigkeit für alle Menschen. Wenn Unrecht zu Recht wird, dann wird Widerstand zur Pflicht. Leider ist Widerstand schmerzhaft, denn die Mächtigen räumen nicht freiwillig das Feld", sagt der Schweizer Regisseur und betont, dass all seine Solidarität dem Freiheitskampf und den Menschen von Belarus gelte.

"Die Gesellschaft ist aus dem Staat herausgewachsen"

"Ich bin den Initiatoren dieser Solidaritätsaktion zutiefst dankbar, dass sie Menschen wie mir die Möglichkeit gegeben haben, uns zumindest ideell an die Seite der politischen Gefangenen in Belarus zu stellen", sagt Katharina Raabe im Gespräch mit der DW. Sie ist Lektorin des Suhrkamp Verlags, in dem Werke der belarussischen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch und des Schriftstellers Artur Klinau in deutscher Sprache erschienen sind.

Ihrer Meinung nach sind wir Zeugen, wie in Belarus eine neue, hoch artikulierte Gesellschaft entsteht, die Angst und Bevormundung abschüttelt. "Sie ist aus ihrem Staat herausgewachsen, der sie immer härter in die Schranken weist", sagt Raabe.

Die Lektorin fügt hinzu: "Wenn ich in den vergangenen Tagen die Videos von den Unentwegten sah, die trotz massiver Repression wieder in irgendeinem Minsker Rayon oder in kleineren Städten durch die Straßen zogen, dachte ich: Wie verzweifelt müssen sie sein? Wie allein sie sind mitten in Europa. Warum kommen wir ihnen nicht zu Hilfe? Wir sehen, wie sie gejagt und malträtiert werden. Am liebsten würde ich ihnen zurufen: Hört auf, lasst euch nicht zusammenschlagen, ihr braucht eure Köpfe und eure Unversehrtheit. Opfert euch nicht! Arbeitet weiter an den Strukturen, die ihr mit so viel Phantasie und sozialer Intelligenz gebildet habt."

Unterstützung für Maria Kolesnikowa

Unter den Teilnehmern der Aktion "100 x Solidarität" gibt es auch solche, die politische Gefangene persönlich kennen. "Ich bin täglich in Kontakt mit Menschen, die dort leben, auch mit solchen, die bis vor kurzem dort gelebt haben, aber in die Diaspora gegangen sind, um ihre Mitmenschen von außen zu unterstützen", sagt Christine Fischer, Leiterin des ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart. "Ich bin mit der belarussischen Demokratiebewegung relativ eng in Kontakt, denn Maria Kolesnikowa war unsere Mitarbeiterin." Fischer ist mit der inhaftierten Bürgerrechtlerin und Oppositionspolitikerin nach wie vor eng befreundet und empfindet daher auch persönliche Anteilnahme.

Die belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikova formt mit ihren Händen ein Herz
Die belarussische Oppositionelle Maria KolesnikowaBild: Sergei Bobylev/TASS/picture alliance

Die ausgebildete Musikerin Kolesnikowa hatte zwölf Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet, bevor sie im August 2019 die künstlerische Leitung des Minsker Kulturzentrums "OK16" übernahm. In ihrer Heimat Belarus ist Kolesnikowa zu einem der Köpfe der Protestbewegung geworden. Seit Anfang September befindet sie sich in Untersuchungshaft in Belarus. Ihr drohen bis zu 5 Jahren Gefängnis wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit".

Fischer gibt zu, noch vor wenigen Jahren nicht viel über Belarus gewusst zu haben. "Dann habe ich Maria kennengelernt und ihren Enthusiasmus, für eine freie Gesellschaft ihres Landes einzustehen, dafür zu kämpfen, dass sich vor allem auch die Frauen ermutigt fühlen, Berufe zu ergreifen, ins Ausland zu gehen, sich weiterzubilden, ihr Schicksal in ihre Hände zu nehmen und vor allem auch eine klare Position in der Gesellschaft einzunehmen", sagt die Festival-Leiterin.

Für sie ist es berührend und gleichzeitig beschämend, mit welchem Mut zigtausende Menschen in Belarus, unter der großen Gefahr, ins Gefängnis zu kommen, Woche für Woche für Freiheit und Demokratie auf die Straßen gehen. "Beschämend, weil uns aus einer saturierten Haltung des Beobachtens nichts anderes einfällt, als Solidaritätsadressen abzuschicken", bedauert Fischer.