Proteste gegen Verhaftungen in Katalonien
17. Oktober 2017"Unterdrückung ist nicht die Lösung", riefen die Demonstranten, die sich vor dem Sitz der Regionalregierung in Barcelona versammelt hatten. Nicht nur in der Regionalhauptstadt, auch in anderen Städten Kataloniens legten mehrere tausend Menschen am Mittag kurzzeitig die Arbeit nieder.
Ihr Protest richtet sich gegen die spanische Justiz, die am Vorabend die Chefs der beiden Organisationen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Omnium Cultural, Jordi Sánchez und Jordi Cuixart, in Untersuchungshaft genommen und den katalanischen Polizeichef, Josep Lluis Trapero, nur unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt hatte. Trapero wird Rebellion vorgeworfen. Nach Ansicht der Staatsanwalt am obersten Gerichtshof war er bei Protesten von Separatisten gegen die Guardia Civil und der Policia Nacional untätig geblieben.
Regionalpräsident spricht von "politischen Gefangenen"
Die Nachricht über die Festnahmen hatte noch in der Nacht Proteste in ganz Katalonien ausgelöst. In Barcelona machten viele Menschen mit Kochtöpfen Lärm auf den Straßen.
Kataloniens Regionalpräsident Carles Puigdemont und Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau sprachen von "politischen Gefangenen". Colau, die selbst gegen eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens ist, kündigte an, die Sitzungen des Stadtrats aus Protest für zwei Tage auszusetzen.
Nichts Neues aus Katalonien trotz Ultimatum
Die katalanische Regionalregierung machte derweil deutlich, an ihren Abspaltungsbestrebungen festzuhalten, ohne dies jedoch näher zu konkretisieren. Ein Sprecher sagte, man werde der Zentralregierung in Madrid am Donnerstag keine andere Antwort geben als bereits am Montag. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Region aufgefordert, bis Donnerstag klarzustellen, ob sie vergangene Woche tatsächlich die Unabhängigkeit ausgerufen hat oder nicht. Das spanische Verfassungsgericht erklärte unterdessen das Gesetz über das katalanische Unabhängigkeitsreferendum vom 6. September endgültig für unwirksam.
Der katalanische Regierungschef Puigdemont hatte am 10. Oktober symbolisch die Unabhängigkeit der Region ausgerufen, diese dann aber nur Sekunden später ausgesetzt für Verhandlungen mit der spanischen Regierung, wie er sagte.
Katalonien-Krise senkt Wachstumserwartung
Die Spannungen zwischen der Zentralregierung und Katalonien wirken sich auch auf die Konjunkturerwartungen Spaniens für das kommende Jahr aus. Die Regierung in Madrid korrigierte ihre Wachstumserwartungfür das kommende Jahr von 2,6 auf 2,3 Prozent nach unten.
Ministerpräsident Mariano Rajoy warnte in einem Brief an Puigdemont, "die enorme wirtschaftliche Ungewissheit" sei ein Risiko für den Wohlstand der Bürger. Wenn sich diese fortsetze, bestehe die Gefahr, dass Katalonien in eine Rezession stürzen könnte. Auf die Region entfällt etwa ein Fünftel der Wirtschaftsleistung in Spanien.
Tourismus in Katalonien bereits rückläufig
Die Katalonien-Krise hat den Tourismus in der spanischen Region bereits jetzt stark einbrechen lassen: Wie der Branchenverband Exceltur mitteilte, fiel das Geschäft mit den Touristen in Katalonien in der ersten Oktoberhälfte um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Reservierungen bis zum Jahresende, etwa für Hotels und Transportmittel, sind dem Verband zufolge ebenfalls 20 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Sollte sich diese Entwicklung bestätigen, bedeute das einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro.
Der Tourismus ist für Katalonien sehr wichtig, er trägt zwölf Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. In der Branche dort rund 405.000 Menschen. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 18 Millionen Reisende in die Region.
cw/jj (dpa, afp, rtr)