Proteste in Katalonien halten an
16. Oktober 2019In fünf Städten Kataloniens im Nordosten Spaniens beteiligten sich zahlreiche Bürger an "Märschen für die Freiheit", auch Sternmärsche genannt, die am Freitag in Barcelona zusammenfließen sollen. Dabei blieb es zunächst friedlich. In den vergangenen Tagen war es in Barcelona und anderen Orten zu gewalttätigen Aktionen und schweren Zusammenstößen mit der Polizei gekommen.
Allein in der Nacht zum Mittwoch seien 51 Menschen festgenommen und mindestens 125 verletzt worden, berichtet das spanische Fernsehen. Unter den Verletzten waren auch zahlreiche Polizisten. Teils vermummte Demonstranten setzten unter anderem Barrikaden und Kartons in Brand und warfen Böller und Flaschen auf die Sicherheitskräfte. Diese setzten unter anderem Schlagstöcke ein, um die Menge zurückzuhalten.
"Das Zusammenleben zerstören"
Die spanische Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez verurteilte die Krawalle scharf. "Es ist offensichtlich, dass wir es nicht mit einer friedlichen Bürgerbewegung zu tun haben, sondern mit einer Bewegung, die von Gruppen koordiniert wird, die Gewalt auf der Straße einsetzen, um das Zusammenleben in Katalonien zu stören", hieß es in einer Mitteilung, in der Madrid die "Akte des Vandalismus" in verschiedenen Teilen der Region beklagt. Sánchez will am heutigen Mittwoch mit den Chefs der Oppositionsparteien in Madrid zusammenkommen, um über die Situation zu beraten. Auf Twitter sprach er von einer "entschlossenen und nachdrücklichen Verurteilung der Gewalt, die das Zusammenleben in Katalonien zerstören soll".
Die spanische Fußball-Liga will wegen der Proteste am 26. Oktober das Heimrecht beim Clasico zwischen dem FC Barcelona und Rekordmeister Real Madrid tauschen. Die Partie soll im Estadio Santiago Bernabeu von Madrid stattfinden. In Barcelona werden am 26. Oktober große Demonstrationen erwartet. Einem Heimrechttausch müssen allerdings auch beide Klubs zustimmen.
Distanzierung von Gewalt
Der Oberste Gerichtshof in Spanien hatte am Montag neun Anführer der katalanischen Separatisten wegen Aufruhrs zu neun bis 13 Jahren Haft verurteilt. Tausende Menschen protestierten am Montag in Barcelona gegen die Gerichtsurteile, der Flughafen der katalanischen wurde zeitweise lahmgelegt. Auch am Dienstag wurden 45 Flüge gestrichen.
Die wegen Aufruhrs zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Separatistenführer distanzierten sich in sozialen Netzwerken von der Gewalt. Der ehemalige Vize-Regionalchef Oriol Junqueras, der 13 Jahre Haft bekam, schrieb auf Twitter: "All unsere Unterstützung für die Mobilisierungen und die friedlichen Märsche. Gewalt repräsentiert uns nicht." Die neun Verurteilten - ehemalige Spitzenpolitiker aus der Region und zwei Anführer von zivilen Organisationen - saßen seit zwei Jahren in Untersuchungshaft. Medienberichten zufolge können sie erst dann Vollzugslockerungen - also Freigang - bekommen, wenn sie ein Viertel der Haft verbüßt haben.
Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont war 2017 nach Belgien geflohen und stand nicht vor Gericht. Die spanische Justiz hatte am Montag einen internationalen Haftbefehl für ihn reaktiviert. Die katalanischen Separatisten haben Spanien in die bislang schwerste Krise nach dem Ende der Ära des Diktators Francisco Franco gestürzt. Im Oktober 2017 hatte eine Mehrheit für die Ablösung des wohlhabenden Kataloniens von Spanien gestimmt. Daraufhin wurden die Regierungsgeschäfte kommissarisch von Madrid übernommen und einige Separatistenführer verhaftet.
lh/djo (dpa, rtr, sid)