Proteste nach Urteil gegen Ökoaktivisten in Russland
17. Januar 2024Die Kleinstadt Baimak liegt im äußersten Südostzipfel Europas. Dort, in Russlands Teilrepublik Baschkortostan an der Wolga haben mehrere Tausend Menschen gegen die Verurteilung des lokalen Ökoaktivisten Fail Alsynow demonstriert. Alsynow wurde nach Medienangaben an diesem Mittwoch wegen angeblich rassistischer Äußerungen zu vier Jahren Haft verurteilt.
In einer Rede gegen den Goldabbau vor einem Dorfrat im vergangenen Jahr hatte Alsynow zwei Wörter auf Baschkirisch verwendet, die ins Russische mit "schwarze Menschen" übersetzt wurden. Das Gericht sagte, seine Rede sei dazu gedacht, "Hass zu schüren und die Würde einer Gruppe von Personen aufgrund von Rasse, Nationalität, Sprache oder Herkunft zu erniedrigen". Alsynow hat ausgesagt, er habe sich auf "arme" Menschen bezogen.
Größter Protest seit Angriff auf die Ukraine
Nach Schätzungen des unabhängigen Internetportals "Wjorstka" versammelten sich in der Kleinstadt Baimak vor dem Gerichtsgebäude mehr als 3000 Menschen, um Alsynow zu unterstützen. Beobachter sprechen von einer der größten Protestaktionen in Russland seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Die Demonstranten riefen "Freiheit für Alsynow" und forderten den Rücktritt des Gebietschefs Radij Chabirow, auf dessen Forderung der Prozess gegen den Ökoaktivisten eingeleitet worden war. Ein von dem Medium "Ostoroschno Nowosti" geteiltes Video soll zeigen, wie Sicherheitskräfte dort die Menge mit Gewalt abdrängen. Laut Augenzeugen wurde auch Tränengas eingesetzt. 15 Menschen sollen verletzt worden sein. Mehrere Personen wurden demnach festgenommen.
Alsynow war einer der Anführer der Proteste gegen den Abbau des Kalksteinbergs Kuschtau in Baschkortostan für die dort ansässige Sodafabrik. Im Zuge der Demonstrationen wurde Kuschtau 2020 zu einem unter Schutz stehenden Naturdenkmal erklärt. Zugleich setzte sich der 37-Jährige für eine stärkere Autonomie der Teilrepublik und den Schutz der baschkirischen Sprache ein. Die von ihm mitgeführte Organisation Baschkort wurde 2020 als extremistisch eingestuft und verboten.
Ende 2022 wurde Alsynow wegen eines Eintrags im russischen sozialen Netzwerk VKontakte zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine als "Genozid am baschkirischen Volk" bezeichnet. "Das ist nicht unser Krieg", kritisierte er die Invasion. Die Region Baschkortostan gehört nach Medienangaben zu einem der russischen Gebiete mit überdurchschnittlich hohen Soldaten-Verlusten im Ukraine-Krieg.
Große Proteste sind in Russland äußerst selten. Demonstranten müssen immer damit rechnen, festgenommen zu werden, wenn die Versammlungen von den Behörden - oft auch nachträglich - als nicht genehmigt deklariert werden. Tausende Russen kamen in den vergangenen zwei Jahren wegen ihres Widerstands gegen den Krieg in der Ukraine in Gewahrsam.
AR/se (dpa, rtr, afp)