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Prozess mit fadem Beigeschmack

Peter Philipp2. Juli 2004

Das Verfahren gegen Saddam Hussein hat begonnen. Die Todesstrafe soll deshalb im Irak wieder eingeführt werden. Doch Gerechtigkeit wird es in dem Prozess weder mit noch ohne Todesstrafe geben, meint Peter Philipp.

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Den Haag, 3. Juli 2001: Ein elegant gekleideter Slobodan Milosevic tritt vor das Internationale Gericht und erklärt, dieses sei ein "falsches Gericht" und eine "falsche Anklage". Er, Milosevic, sei unschuldig und er erkenne dieses Gericht nicht an. Fast auf den Tag genau drei Jahre später am Flughafen von Bagdad: Saddam Hussein im Anzug, mit grau durchwachsenem Bart, bei seinem ersten Auftritt vor dem neuen Sondergericht, das ihm den Prozess machen will. Auch er bestreitet, dass dieses Gericht und dieser Prozess rechtens seien. Er sei der Präsident des Irak, verkündet er, obwohl er jetzt gerade mal vielleicht als halbseidener Autohändler durchginge. Und der eigentliche Verbrecher, der hier abgeurteilt werden müsste, das sei George W. Bush, wettert Saddam und weigert sich, die Gerichtspapiere zu unterschreiben.

Zwei Szenen, die sich in gewissem Masse ähneln, aber dennoch nichts miteinander zu tun haben. Es geht um die Aufarbeitung einer Diktatur und ihrer Schreckenstaten, um die Verantwortung für Unterdrückung, Kriege, Morde: individuelle Morde ebenso wie Völkermord. Immer noch hat die Welt kein allgemein gültiges Instrumentarium, sich solch monströser Verbrechen und ihrer Täter anzunehmen: In den Nürnberger Prozessen saßen die Sieger über ihre unterlegenen Gegner zu Gericht, der Internationale Gerichtshof für die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien wurde vom UN-Sicherheitsrat eingerichtet, und in Bagdad ist ein nationales Gericht eingesetzt worden, obwohl dem Angeklagten wegen seiner Kriege gegen Iran und Kuwait und seiner Angriffe auf Saudi-Arabien und Israel durchaus auch internationale Verbrechen vorgeworfen werden.

In anderen Fällen – etwa in dem des rumänischen Diktators Ceaucescu – wurde "kurzer Prozess" gemacht, wieder andere – wie der unlängst im saudischen Exil gestorbene ugandische Ex-Diktator Idi Amin – durften ihr Land verlassen. In der Arabischen Welt hat sich bisher noch kein gestürzter Herrscher vor Gericht verantworten müssen. Saddam Hussein weiß das am besten, denn er war aktiv an der Ermordung einiger seiner Vorgänger beteiligt.

Es darf aber bezweifelt werden, dass Saddam zu schätzen weiß, wie viel besser er jetzt behandelt wird. Denn eines ist ihm ja sicher klar: Das Urteil gegen ihn steht längst fest. Dafür will die Übergangsregierung die von den USA ausgesetzte Todesstrafe wieder einführen. Und auch die überlebenden Opfer Saddams fordern seinen Tod. Dem wird sich das Gericht kaum widersetzen können. Und auch nicht widersetzen wollen.

Aber genau das gibt dem geplanten Prozess einen faden Beigeschmack: Gerechtigkeit kann hier ohnehin nicht geschehen. Dazu sind die Taten zu monströs, das kann aber auch sonst nur selten von Rechtssystemen geleistet werden: Recht und Gerechtigkeit sind zu oft zwei unterschiedliche Dinge. Und das Recht? Man darf bezweifeln, dass dem Genüge getan wird: Die irakische Justiz hatte jahrzehntelang dem Unrecht gedient und es wäre doch sehr verwunderlich, wenn nun ein schnell zusammengestelltes Sondertribunal den Test der Rechtsstaatlichkeit bestünde. Zumindest wäre es wohl angebracht gewesen, hiermit zu warten, bis eine gewählte Regierung im Amt ist. Das soll ja immerhin schon nächstes Jahr der Fall sein. So bleibt es ein Sondergericht einer Übergangsregierung.

Diese Übergangsregierung hat natürlich jedes Interesse an dem Prozess: Saddam wird als kleiner, machtloser und vielleicht auch fanatisch-irrer Mann präsentiert, dem sicher keiner mehr nachlaufen wird. Die USA werden vor dem Odium bewahrt, durch einen eigenen Prozess "Siegerjustiz" zu üben, und international kann die Übergangsregierung vielleicht etwas punkten, indem sie einen sauberen Prozess führt. Ob darin die lange und düstere Zeit der Diktatur aber auch wirklich aufgearbeitet wird, bleibt mehr als fraglich. Solches ist in den "Wahrheitskommissionen" Südafrikas geschehen, wo es mehr um die Taten und deren Hintergründe ging als deren Täter. Bagdad ist sehr weit von Südafrika entfernt.