Präsidentschaftswahl in Frankreich
'Wahlkampf-Zapping' verwirrt die Franzosen
Die Kampagnen der französischen Präsidentschaftskandidaten waren ein atemloses Reagieren auf die jüngste Schlagzeile oder den nächsten Fehltritt des Gegners. "Wahlkampf-Zapping" haben die Franzosen das Phänomen genannt, es hat sie misstrauisch gemacht. Umfragen zufolge fanden die Franzosen den Wahlkampf wenig hilfreich für ihre Wahlentscheidung. Meinungsforscher verwiesen auch auf die deutlich höhere Zahl von Unentschlossenen in der letzten Woche vor dem Urnengang im Vergleich zur letzten Wahl im Jahr 2002. 40 bis 42 Prozent der Wahlberechtigten erklärten kurz vor dem ersten Wahldurchgang am 22. April 2007, dass sie noch unentschlossen sind.
Blogger wollen Hochrechnungen früher veröffentlichen
Mehrere Blogger haben angekündigt, Prognosen schon vor Schließung der letzten Wahllokale am Sonntagabend ins Internet zu stellen. Die Wahlkommission droht ihnen mit einer Strafe von 75.000 Euro, weil sie eine Beeinflussung der Wähler befürchtet. Das Wahlrecht ist für die diffizile Ausgangslage verantwortlich: In den meisten Wahlbezirken kann man nur bis 18.00 Uhr seine Stimme abgeben. Auf Basis dieser Ergebnisse erstellen die Institute Hochrechnungen. Allerdings schließen in Paris und anderen Großstädten die Wahllokale erst um 20.00 Uhr, daher das Veröffentlichungsverbot vor dieser Frist. Ausländische Websites sollen von dem Verbot nicht betroffen sein.
'Super-Sarko' auf dem Weg in den Elysée-Palast?
An Nicolas Sarkozy scheiden sich die Geister: Der 52-Jährige von der konservativen Regierungspartei Union pour un Mouvement Populaire (UMP) provoziert gerne. Je nach Standpunkt gilt der Jurist als Heilsbringer oder Störenfried, in jedem Fall aber als Instinktpolitiker. Bewundernd nennen ihn seine Anhänger daher auch "Super-Sarko". Bei seinen Gegnern gilt der Einwanderersohn, dem insbesondere das "Gesindel" integrationsunwilliger Immigranten ein Dorn im Auge sind, indes als Scharfmacher. Sarkozy führt die Umfragen an und könnte seinen langjährigen Ziehvater und späteren Intimfeind Jacques Chirac schon bald im Elysee-Palast ablösen.
Ségolène Royal will erste Präsidentin Frankreichs werden
Um sich von ihrem ärgsten Widersacher Nicolas Sarkozy abzugrenzen, setzt Ségolène Royal von der Parti Socialiste gezielt auf ihre Weiblichkeit. "Die Zeit der Frauen ist gekommen", sagt sie. Die Ex-Familienministerin als fürsorgliche Mutter, die auf die Sorgen ihrer Landsleute hört. Doch zahlreiche Wahlkampfpannen, Querschüsse aus den eigenen Reihen und die Schwierigkeit, der Kampagne ihren Stempel aufzudrücken, haben die einstige "Madonna der Umfragen" gebremst. Aktuelle Umfragen sehen sie entweder deutlich abgeschlagen hinter - oder aber gleichauf mit Sarkozy. Der Aufstieg des Zentrumspolitikers Bayrou ist auch auf ihre Schwäche zurückzuführen.
Lässt der 'dritte Mann' Bayrou die Sozialistin Royal verblassen?
François Bayrou ist die Überraschung dieses Präsidentschaftswahlkampfes. Vom "unbekannten Dritten", der bei der Wahl 2002 gerade einmal 6,8 Prozent erreichte, stieg er zum aussichtsreichen Anwärter für die Stichwahl auf. Zwar ist die "Bayroumania", der Medienhype um den Zentrumspolitiker, mittlerweile leicht abgeklungen. Aber aus dem Duell zwischen Sarkozy und Royal ist ein Dreikampf geworden. Bayrou profiliert sich als Sammler einer neuen Mitte: Bei einem Wahlsieg will er die Sozialistin Royal als Premierministerin einsetzen und eine Mitte-Koalition aus allen gemäßigten Kräften der Parteienlandschaft schmieden. Er gilt unter allen Kandidaten als der überzeugteste Europäer.
Angst vor dem 'Gespenst' von 2002
16,9 Prozent - ein solches Ergebnis hatte Jean-Marie Le Pen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2002 niemand zugetraut. Der Chef der rechtsextremen Front National überholte den Sozialisten Lionel Jospin und zog in die Stichwahl gegen Jacques Chirac ein. Fünf Jahre später geht erneut die Angst vor dem "Gespenst" aus der rechten Ecke um. Der 78-Jährige lauert auch diesmal auf seine Chance und teilte jüngst gegen den konservativen Favoriten Sarkozy aus: Dieser habe als Sohn eines ungarischen Einwanderers einen Immigrationshintergrund, während er selbst ein "bodenständiger Franzose" sei, tönte Le Pen im Fernsehen. Laut Umfragen wird Le Pen dieses Mal zwischen 12,5 und 16 Prozent liegen.
Monarch auf Zeit
In einem sind sich Sarkozy, Royal und Bayrou einig: Das Hauen und Stechen um Frankreichs höchstes Amt lohnt sich. Denn anders als seine europäischen Kollegen genießt der französische Präsident eine extreme Machtfülle. Er ernennt den Premierminister und kann ihm das Vertrauen wieder entziehen. Er diktiert die Linien der Politik. Dabei muss er sich nicht gegenüber dem Parlament verantworten. Der Staatschef kann vielmehr nach Gutdünken selbst die Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ansetzen lassen. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist er auch für die Atomstreitmacht verantwortlich.
Illegale Einwanderer im Kreuzfeuer der Wahlkampfstrategen
Nicolas Sarkozy hat das Thema nationale Identität zum Wahlkampfkassenschlager gemacht: Nur wer hinreichend Französisch spreche, dürfe sich auf Dauer in Frankreich niederlassen, fordert der UMP-Chef. Er spricht sich für Einwanderer-Quoten und die Auswahl nach beruflicher Qualifikation aus. Nach seiner Wahl will er ein "Ministerium für Einwanderung und nationale Identität" gründen. Doch auch Ségolène Royal bläst mit ihrem Flaggen- und Hymnenbekenntnis munter ins nationalistische Horn. Das freut den rechtsextremen Jean-Marie Le Pen, der mit dem Spruch wirbt: "Wählt das Original statt die Kopie!"
Ungeliebtes Wahlkampfthema Europapolitik
Wenn es um das Thema Europäische Union geht, melden sich die Präsidentschaftskandidaten im sonst so lauten französischen Wahlkampf eher kleinlaut zu Wort. Doch Frankreich braucht nach seinem klaren "Non" zur EU-Verfassung 2005 jemanden, der es aus der europapolitischen Sackgasse führt. Während Nicolas Sarkozy von der regierenden konservativen UMP einer abgespeckten Variante des Verfassungsvertrages, einer Art "Mini-Vertrag", das Wort redet, wollen die Sozialistin Ségolène Royal sowie der "dritte Mann" und Zentrumspolitiker François Bayrou die französischen Wähler erneut in einem Referendum über den Vertrag abstimmen lassen.