1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Pussy-Riot-Aktivist: Vergiftung ist Warnung

Vladimir Esipov | Nikita Batalov
30. September 2018

Der russische Aktivist Pjotr Wersilow hält sich unter Polizeischutz in Berlin auf, nachdem er in Moskau womöglich das Opfer eines Giftanschlags wurde. Der DW sagt er, seine Recherchen hätten ihn zum Ziel gemacht.

https://p.dw.com/p/35iIk
Berlin Pussy Riot Mitglied  Peter Verzilov
Bild: DW/Vladimir Esipov

DW: Wie fühlen Sie sich jetzt?

Pjotr Wersilow: Verglichen mit vergangener Woche, als ich nicht bei Bewusstsein war und nicht verstanden habe, was passiert, bin ich jetzt natürlich einen großen Schritt weiter. Aber es geht mir noch nicht richtig gut. Ich würde wohl keinen Marathon laufen oder sowas. Ich habe immer noch Probleme mit dem Sehen - das ist seltsam, ich kann weder mit Brille lesen noch richtig scharf sehen. Also ja, da sind noch Einschränkungen.

Aber im Wesentlichen ist es wohl so, dass dieses Nervengas wahrscheinlich nur eine sehr kurzzeitige Wirkungen hatte und dann verschwunden ist - das vermuten jedenfalls viele. Und das haben wir an mir beobachtet.

Ihr Leben ist offensichtlich in Gefahr. Haben Sie Angst, nach Russland zurückzukehren?

Nein, ich habe definitiv keine Angst. Ich glaube, dass Russland die großartigsten Menschen braucht - wir haben vor nichts Angst. Wenn es in Berlin sinnvoll ist, mit Bodyguards herumzulaufen, dann ist es in Moskau nutzlos, denn die Leute, die dir etwas antun wollen, die können das trotzdem. Wenn Sie also in Russland in der Opposition Politik machen, müssen Sie auf alles gefasst sein.

"Die Geschichte in Zentralafrika war der Grund"

Stehen Sie zur Zeit unter Polizeischutz?

Ja. Wenn ich ausgehe oder jemanden treffe, begleiten sie mich.

Was, glauben Sie, war der Hauptgrund für Ihre Vergiftung?

Ich glaube, am wichtigsten war, uns zu warnen, dass wir nicht zu tief in die Aufklärung dessen eintauchen, was in Afrika passiert ist. (In der Zentralafrikanischen Republik wurden im Juli drei russische Journalisten unter nicht aufgeklärten Umständen getötet, Anm. d. Red.) Mit Gift zu arbeiten, ist sowas wie ihre Sprache geworden. Und ich denke, die Geschichte in Afrika war der Hauptgrund dafür.

War der Grund nicht, dass Sie beim Finale der Fußball-WM aufs Spielfeld gelaufen sind, um gegen Unterdrückung zu demonstrieren?

Das könnte sein. Aber gleichzeitig haben wir alle gesehen, dass die Moskauer Polizei in den vergangenen Monaten versucht hat, eine Art neues Protokoll für uns zu schreiben, damit sie uns noch mal 15 oder 30 Tage ins Gefängnis stecken kann. Und das hat sie nicht geschafft. Das Gericht in Moskau hat die Papiere immer wieder zurückgeschickt und gesagt: Damit können wir nicht arbeiten.

"Künstlerischer Aktivismus ist in Russland besonders wichtig"

Sie haben keinen Bericht über Ihre Recherchen zum Tod der russischen Journalisten in der Zentralafrikanischen Republik veröffentlicht. Sie sagen, Sie haben neue Informationen. Wann wollen Sie die veröffentlichen?

Das hängt davon ab, was wir in der zweiten Phase der Recherchen machen und ob wir überhaupt eine zweite Phase anfangen. Denn wenn wir jetzt Informationen veröffentlichen, könnte das die Recherchen erschweren.

Würden Sie gerne in Berlin bleiben? Mit all der kreativen Freiheit hier könnten Sie jede Menge künstlerischen Aktivismus entwickeln.

Künstlerischer Aktivismus ist in Russland ganz besonders wichtig, wegen unserer speziellen politischen und sozialen Realität. Hier in Deutschland gibt es Milliarden Wege, sich politisch zu engagieren, etwas zu ändern, sich künstlerisch auszudrücken. Unser Aktivismus gründet in dem Mangel an Möglichkeiten, sich auszudrücken - im Westen gibt es davon jede Menge.

Pjotr Wersilow ist Aktivist der russischen Protestgruppe Pussy Riot. Vor zwei Wochen erkrankte er in Moskau und wurde für eine Notfallbehandlung nach Berlin geflogen. Die behandelnden Ärzte der Berliner Charité halten es für wahrscheinlich, dass er vergiftet wurde. Am Mittwoch wurde Pjotr Wersilow aus dem Krankenhaus entlassen.

Das Gespräch führten Vladimir Esipov und Nikita Batalov.