"Sklaverei nie wirklich abgeschafft"
6. November 2017Dazu wolle man Bündnisse schmieden, um Betroffenen vor Ort zu helfen, sagte die Präsidentin der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, die britische Soziologin Margaret Archer, zum Abschluss einer internationalen Tagung zum Thema im Vatikan.
Die Opfer müssten vor allem ermutigt und befähigt werden, sich überhaupt zu äußern. Zudem sollten örtliche Behörden sowie zivilgesellschaftliche Kräfte gestärkt werden. Denn vor allem diese Gruppen täten etwas für die Opfer.
Archer nannte Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, wonach jährlich etwa 46 Millionen Menschen verschleppt werden. "Die Sklaverei ist nie wirklich abgeschafft worden. Jeder von uns hat auf irgendeine Weise mit Opfern dieses Verbrechens zu tun", so Archer.
Allerdings herrsche in der öffentlichen Wahrnehmung Verwirrung über die unterschiedlichen Gruppen von Kriegsflüchtlingen, Armuts- und Arbeitsmigranten oder Opfern von Menschenhandel. Sie alle befänden sich in unterschiedlichen rechtlichen Lagen, zudem hätten sie unterschiedliche Ansprüche. Gemeinsam sei ihnen nur, so Archer, dass die meisten Länder sie gerne schnell wieder los werden wollten.
Juristische Beratung
Betroffene bräuchten vor allem auch juristische Beratung, erläuterte die US-Amerikanerin Jami Solli von der "Global Alliance for Legal Aid" (GALA), die Rechtsbeistand für arme Menschen organisiert. Fast alle befreiten Opfer erhielten zu wenig Zeit, Geld sowie rechtliche und organisatorische Möglichkeiten, um wieder ein normales Leben aufzubauen - in ihrem Herkunftsland oder dort, wohin sie gebracht wurden.
Solli berichtete von einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit kanadischen Banken, wodurch es gelungen sei, im digitalen Finanzverkehr Hinweise auf Geldwäsche durch Menschenhandel aufzudecken. Nach Aussagen von Archer übersteigt der Gewinn aus dem Menschenhandel von rund 150 Milliarden US-Dollar jährlich den aus Drogen- oder Waffenhandel.
Anliegen von Franziskus
Papst Franziskus hat den Kampf gegen Menschenhandel zu einem wichtigen Anliegen seines Pontifikats gemacht. Am kommenden Donnerstag und Freitag findet im Vatikan ebenfalls zu dem Thema ein internationales Forum von Juristinnen statt.
Bei der ausschließlich mit Frauen besetzten Veranstaltung sollen rund 70 Richterinnen und Staatsanwältinnen das Ausmaß von Zwangsarbeit, Prostitution und Organhandel sowie ihre Erfahrungen mit Gegenstrategien erörtern. Für den Abschluss der Tagung am 9. und 10. November am Sitz der Päpstlichen Wissenschaftsakademie ist eine Erklärung angekündigt.
Fast die Hälfte der Teilnehmerinnen kommt laut Vatikanangaben aus Lateinamerika, viele auch aus Afrika und Asien. Erwartet werden unter anderen die abgesetzte venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz und Panamas Generalstaatsanwältin Kenia Porcell.
Frauenkompetenzen im Fokus
In dem Tagungsprogramm heißt es, Frauen könnten besser als Männer ihre Aufmerksamkeit auf die konkrete Person richten. Diese Fähigkeit zeige sich auch in der Berufung zu juristischen Tätigkeiten. Hintergrund des Forums ist das Entwicklungsziel der Vereinten Nationen, gegen Zwangsarbeit, moderne Sklaverei und Menschenhandel sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten vorzugehen sowie Kinderarbeit bis 2025 zu beseitigen. Für diesen Punkt in den Zielen für nachhaltige Entwicklung hatte sich Papst Franziskus besonders stark gemacht.
Die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften wurde 1994 von Papst Johannes Paul II. gegründet. Ihr gehören bis zu 40 Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete, Länder und Religionen an.
cgn/rb (kna, Radio Vatikan)