Qualm quält die Menschen in Russland
9. August 2010Russland muss weiter zusehen, wie die Feuerwalze Dörfer, Wälder und Felder in Asche legt. Auf aktuellen Satellitenbildern ist eine etwa 3000 Kilometer lange Rauchwolke über dem europäischen Teil des Landes zu sehen - auch die Hauptstadt Moskau befindet sich unter einer dichten Smogglocke. Die Einsatzkräfte sind in verschiedenen Landesteilen vor allem damit beschäftigt, atomare, militärische und andere strategische Anlagen vor dem Feuer zu schützen.
Auch auf dem Gelände des atomaren Forschungszentrums in Sarow - etwa 400 Kilometer östlich von Moskau - loderten am Freitag noch Brände. Dort kämpfen Spezialkräfte seit Tagen gegen die radioaktive Gefahr. Die Lage sei aber unter Kontrolle, versicherte die Feuerwehr. Zivilschutzminister Sergej Schoigu hatte zuvor davor gewarnt, dass die Brände radioaktiv verseuchten Boden im Gebiet von Brjansk aufwirbeln könnten. Brjansk liegt südwestlich von Moskau an der Grenze zu Weißrussland und zur Ukraine. Die Region ist seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 stark radioaktiv belastet.
Kein Grund zur Panik!?
In Deutschland bestätigte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter: "Brände können radiologische Auswirkungen auf die unmittelbare Region haben, wenn Menschen die in der Luft befindlichen radioaktiven Partikel einatmen." Zugleich warnte das BfS vor Panik - jedenfalls mit Blick auf die Bundesrepublik: "Es sind keinerlei radiologische Schutzmaßnahmen in Deutschland notwendig, da die Belastung dafür zu gering ist."
Die deutsche Botschaft in Moskau wurde am Freitag vorübergehend geschlossen. Das Personal solle vor der extremen Luftverschmutzung geschützt werden, heißt es. Es gebe aber weiterhin einen Bereitschaftsdienst. Das Auswärtige Amt in Berlin empfahl, nicht erforderliche Reisen in die Waldbrandregionen Russlands abzusagen. Insbesondere Reisende mit Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Bronchitis sowie Kinder sollten die betroffenen Regionen meiden. Dies sei aber keine "Reisewarnung", sondern nur ein Sicherheitshinweis, ergänzte ein Außenamtssprecher.
In Moskau kam es auch zu Behinderungen im Flugverkehr. Auf dem Hauptstadt-Airport Domodedowo mussten zahlreiche Flüge umgeleitet werden.
Nicht mal Löschwasser
Die russischen Behörden gaben die Zahl der Brände landesweit zuletzt mit mehr als 500 an. Bisher kamen nach offiziellen Angaben mindestens 52 Menschen in den Flammen ums Leben, hunderte Wohnhäuser wurden zerstört. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass die Opferzahl größer ist als bisher bekanntgegeben. Ein Ende der Dürre und sengend heißen Temperaturen ist indes weiter nicht in Sicht. Die Behörden haben eingeräumt, dass die derzeit eingesetzten 10.000 Feuerwehrleute möglicherweise nicht ausreichen. Schon jetzt belaufen sich die Gesamtschäden auf rund 25 Milliarden Euro, wie die Zeitung "Moskowski Komsomolez" von Experten schätzen ließ. Das sind etwa zehn Prozent des russischen Haushalts.
Je länger der Kampf gegen die Feuerwalze in Russland dauert, desto mehr treten Missstände im Brandschutz zutage. Das räumte nun auch Regierungschef Wladimir Putin ein. Viele Russen kämpfen nur mit einfachen Feuerlöschern gegen die Flammen. Die meisten haben nicht einmal Wasser zum Löschen. Immerhin will Putin bis Montag einen Plan vorlegen, wie die Kräfte im scheinbar endlosen Kampf gegen die Flammen besser gebündelt werden können.
Tropfen auf den heißen Stein
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte erneut Putins Waldgesetz, das er 2007 als damaliger Staatspräsident unterschrieben hatte. Damit waren auch 75.000 Förster "abgeschafft" worden, wie der Greenpeace-Experte Alexej Jaroschenko monierte. Früher hätten Patrouillen oft Brände rechtzeitig entdeckt, bevor sie auf Siedlungen übergriffen. Zuständig seien nun regionale Verwaltungen und Pächter, doch fehle dort entweder die Koordination oder die Professionalität. Die im russischen Haushalt für den Brandschutz veranschlagten 56 Millionen Euro seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hinzu komme, dass der Zivilschutz erst dann mit dem Löschen anfange, wenn bewohnte Gebiete betroffen seien - nicht aber bei Bränden in der Natur.
Autor: Christian Walz (dpa, rtr, apn)
Redaktion: Ursula Kissel