Quietsche-Enten im Bundesrat
12. Mai 2017Die Deutschen, das weiß jeder Besucher aus dem Ausland, nehmen es sehr genau mit ihrem Müll. Wie weit das gehen kann, ließ sich vor einigen Wochen in dem Dorf Niederschlettenbach begutachten. Im Streit um einen Gelben Sack wurden in dem Ort in Rheinland-Pfalz zwei Müllmänner angegriffen, verprügelt, verletzt und noch dazu beleidigt. Die Angreifer, Vater und Sohn, wollten es nicht hinnehmen, dass die Müllwerker einen offenbar falsch befüllten Sack öffneten und darin nach dem Rechten sahen.
Um den für die Müllverwertung so wichtigen Gelben Sack ging es am Freitag auch vor dem Bundesrat, der zweiten Kammer des deutschen Parlaments, in dem die Bundesländer das Ihre zur Gesetzgebung beitragen. Die Ländervertreter segneten das sogenannte Verpackungsgesetz für mehr Recycling ab, das der Bundestag bereits verabschiedet hatte. Das brauchte mehrere Anläufe und mehrere Jahre. Einer schnellen Müllbearbeitung durch das Parlament stand nämlich der besagte Gelbe Sack im Weg.
Widerstand der Müllbranche
In den Gelben Sack, der mancherorts auch eine Tonne ist, kommen in Deutschland Verpackungsmaterialien, die nicht aus Pappe und Papier oder Glas sind. Für die gibt es andere Behältnisse mit anderen Farben. Anfangs wollte der Gesetzgeber aus dem Gelben Sack bundesweit Wertstofftonnen machen, also eine Sammelstelle für alle denkbaren recyclingfähigen Stoffe, von der Quietsche-Ente bis zur Bratpfanne. Das scheiterte am Widerstand der Müllbranche.
Es war 2011, als die Bundesregierung erstmals das Ende der Gelben Tonnen und Säcke ins Auge fasste. Gut fünfeinhalb Jahre später gibt es in manchen Kommunen orangefarbenen Tonnen für alle möglichen Wertstoffe, in anderen nicht. Und das wird auch mit dem nun beschlossenen neuen Gesetz so bleiben. Nur die sogenannten Recyclingquoten werden erhöht, und in den Supermärkten werben künftig Schilder für Mehrwegflaschen. Im Hintergrund aber geht es um sehr viel Geld. Immerhin haben 12 bis 15 Millionen Deutsche eine Wertstofftonne.
Die Wertstoffsammlung ist in Deutschland inzwischen ein gutes Geschäft, die privaten Unternehmen machen nach Angaben des Verbands der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) pro Jahr rund eine Milliarde Euro Umsatz. Das wollten sie sich nicht wegnehmen lassen von den Kommunen, die sich bisher schon um den Restmüll kümmern. Die Kommunen sollten nach den ersten Entwürfen für das Gesetz überall auch für Wertstoffe zuständig werden. Ob man aber künftig eine Gelbe Tonne oder Gelbe Säcke für Verpackungsmüll hat oder eine Orange Tonne für alle Wertstoffe, das hängt nun davon ab, ob Kommunen und private Unternehmen sich darauf verständigen.
"Zähes Ringen"
Die zuständige Umweltministerin, Barbara Hendricks von der SPD, zeigte sich dennoch zufrieden, dass es nach "zähem Ringen" gelungen sei, einen tragfähigen Kompromiss zu finden: "Das Verpackungsgesetz ist ein wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft." Mit dem neuen Gesetz wird nämlich die bestehende Verpackungsverordnung weiterentwickelt. Ziel ist es laut Ministerium, das Recycling - aber auch die Vermeidung - von Verpackungsabfällen stärker zu fördern.
So soll durch das Gesetz der Anteil von Mehrweg-Flaschen erhöht werden, in dem wieder eine "Mehrwegquote" festgeschrieben wird. Der Mehrweganteil soll mindestens bei 70 Prozent liegen. Bisher liegt er bei rund 45 Prozent, Tendenz sinkend. Sanktionen sind aber auch weiterhin nicht geplant. Ein Kritikpunkt an dem Gesetz ist, dass Hersteller und Handel über eine neue Zentrale Stelle die Marktüberwachung zum Teil selbst übernehmen sollen.
Müllvermeidung ist Detailarbeit, da nimmt es der deutsche Gesetzgeber sehr genau: Deshalb muss nun auf einige Getränke Pfand gezahlt werden, die bisher pfandfrei waren, nämlich Frucht- und Gemüse-Nektare mit Kohlensäure und auch auf Mischgetränke mit einem Molke-Anteil von mindestens 50 Prozent.
Quietsche-Ente und Bratpfanne
Mit dem neuen Gesetz soll aber auch die Recyclingquoten erhöht werden. Das müssen die Privatunternehmen leisten, die Verpackungsmüll sammeln. Die Branche hält das für machbar. Der Verband kommunaler Unternehmen kritisiert dagegen, dass die Quoten in der Vergangenheit leicht manipulierbar gewesen seien und sich erst zeigen müsse, ob etwa 63 Prozent für Kunststoff machbar seien. Stattdessen wäre es besser gewesen, den Produzenten von Verpackungen vorzuschreiben, dass sie eine gewisse Quote von recyceltem Material verwenden müssen und recycelfähiges Material herstellen sollen.
Ab Januar 2019 soll das neuen Regelwerk gelten. Die grüne Opposition hatte schon im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt - aus Enttäuschung über den Kompromiss, wie Britta Haßelmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen deutlich machte: "Auch in Zukunft werden die Verbraucher nicht verstehen, warum man nicht auch Produkte wie ein Quietsche-Entchen oder eine Bratpfanne zu den Verpackungen werfen darf."
ar/ul (dpa, afp, BMUV)