Regionalpräsident an der kurzen Leine
14. Mai 2018Die Galionsfigur der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, Carles Puigdemont, machte keinen Hehl daraus, wie er die Rolle seines Nachfolgers sieht: In einer Videobotschaft aus Deutschland ernannte er Quim Torra zum neuen katalanischen Regionalpräsidenten, sprach aber zugleich von einer "provisorischen Periode". Die Botschaft: Puigdemont sieht sich weiterhin als den "legitimen Präsidenten" Kataloniens. Wohl auch deshalb betitelte die konservative spanische Zeitung "El Mundo" Torra als "Puigdemonts Bauchredner".
Auch Torra selbst stellte die Rollenverteilung bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms klar: "Unser Präsident ist Carles Puigdemont", sagte der 55-jährige Jurist am Montag im Parlament von Barcelona.
Schwieriges Verhältnis mit Madrid
Auf dem Papier aber leitet nun der politische Quereinsteiger Quim Torra die Geschicke von knapp 7,5 Millionen Katalanen. Ein halbes Jahr nach der Absetzung von Separatistenchef Carles Puigdemont hat Katalonien nun wieder eine Regierung. Damit endet theoretisch auch die Geltung des Artikels 155 der spanischen Verfassung. Auf dieser Grundlage hatte die Nationalregierung in Madrid seit der katalanischen Unabhängigkeitserklärung die Kontrolle über die Amtsgeschäfte der teilautonomen Provinz übernommen.
Dass es für Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy mit Puigdemonts Nachfolger einfacher wird als zuletzt, ist eher unwahrscheinlich. Denn Quim Torra ist seinen Worten zu deuten nicht auf den Ausgleich mit Madrid bedacht. Er werde "unermüdlich daran arbeiten, dass die Republik Wirklichkeit wird", sagte er bei einem Auftritt im katalanischen Regionalparlament am vergangenen Samstag. Rajoy analysierte daraufhin in Madrid: "Was wir gesehen und gehört haben, hat uns nicht gefallen". Aber er wolle Torra "an seinen Taten messen". Falls auch er gegen die Verfassung verstoße, werde er sofort wieder abgesetzt.
Nationalist mit Managererfahrung
Knapp zwei Jahrzehnte lang war Torra Manager der Versicherungsgesellschaft Winterthur - zwei Jahre davon arbeitete er in der Schweiz. Danach widmete er sich - ähnlich wie Puigdemont - dem katalanischen Kulturbetrieb. Und auch der politische Diskurs von Quim Torra ähnelt dem seines Vorgängers. "Kein europäischer Bürger muss aushalten, was wir Katalanen in diesem Moment aushalten müssen", waren seine Worte vor dem Parlament vor einigen Wochen. Kurz nach seiner Ernennung zitierte die spanische Presse einige ältere Tweets, die Torra aber bereits von seinem Account gelöscht hatte. "Wir leben seit 1714 unter spanischer Besatzung" hatte er da geschrieben und: "Die Spanier können nur plündern". Dieser Teil der katalanischen Geschichte hat bei Torra eine besondere Bedeutung: Vor seinem politischen Quereinstieg leitete er das Kulturzentrum Born in Barcelona. Dort erinnern alte Ruinen an die Belagerung der Stadt im Spanischen Erbfolgekrieg Anfang des 18. Jahrhunderts. Damals hatten sich die Katalanen den Habsburgern angeschlossen. Barcelona wurde von den gemeinsamen Truppen Frankreichs und Spaniens belagert und musste am 11. September 1714 kapitulieren. Damit endete auch die katalanische Selbstverwaltung. Torra bezeichnete sein Kulturzentrum vor diesem Hintergrund einmal als "Ground Zero der Katalanen" - in Anspielung auf die Terroranschläge in den USA im Jahr 2001.
Darüber hinaus gründete er einen Verlag, der Literatur auf Katalanisch verlegte, schrieb selbst politische Aufsätze und mehrere Bücher. Für kurze Zeit leitete er zudem die Separatistenorganisation Òmnium Cultural.
Torra ist der "Plan D"
Torra stammt wie Puigdemont aus der katalanischen Separatistenhochburg Girona. Puigdemont kommt aus dem kleinen Bergdorf Amer, Torra aus dem Küstenstädtchen Blanes. Torras politische Laufbahn begann erst mit den Neuwahlen im Dezember 2017. Als Unabhängiger kandidierte er auf Puigdemonts Wahlliste und zog erfolgreich ins Regionalparlament ein.
Sein großer Vorteil bei der Ernennung zum Regionalpräsidenten war, dass er, anders als andere Kandidaten, von der spanischen Justiz bislang nicht verfolgt wird. Dennoch wird seine Ernennung von den Separatisten gerne als "Plan D" bezeichnet - denn mehrere prominente Politiker der Unabhängigkeitsbewegung befinden sich derzeit in spanischer Untersuchungshaft oder im Exil.
So auch "Plan A" - Carles Puigdemont. Torra gehört zu den Parteikollegen, die den Chef regelmäßig im Ausland besuchten. Zunächst in Brüssel, dann im Gefängnis in Neumünster und zuletzt in Puigdemonts Hotel in Berlin-Charlottenburg, wo dieser ihm seine Nachfolge anbot. Wie sehr Puigdemont Torra aber als Übergangslösung versteht, verdeutlichte er auch in seiner Videobotschaft: Torra, hieß es da, solle sein altes Arbeitszimmer im Präsidentenpalast in Barcelona nicht benutzen.