Rückführungsabkommen - nur Augenwischerei?
19. August 2018Ende der Woche gab die Sprecherin des Bundesinnenministeriums, Eleonore Petermann, das jüngste Ergebnis der Verhandlungungen mit der griechischen Regierung bekannt: Ein Rückführungsabkommen zwischen beiden Ländern stehe kurz vor dem Abschluss. "Wir haben uns geeinigt", so Petermann. Es laufe noch ein abschließender Briefwechsel. Details wollte Petermann noch nicht nennen.
Medienberichten zufolge deutet aber alles darauf hin, dass das Abkommen zwischen Berlin und Athen demjenigen ähnelt, das Deutschland und Spanien bereits vereinbart haben. Dieses räumt Deutschland das Recht ein, Flüchtlinge unter gewissen Voraussetzungen zurück nach Spanien zu schicken, wenn sie dort bereits registriert sind. Das gilt allerdings nur für jene Menschen, die über die Grenze mit Österreich in die Bundesrepublik einreisen. Kontrolliert werden derzeit drei Grenzübergänge. Werden dort Flüchtlinge aufgegriffen, gilt eine Frist von 48 Stunden, innerhalb derer sie nach Spanien zurückgeschickt werden können.
Grundlage der Überprüfung ist die europaweite Fingerabdruck-Datenbank Eurodac. Mit ihr soll jeder Flüchtling bei seiner Ankunft in Europa registriert werden. Eine Ausnahme gilt nur für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Viel Symbolik
Das Abkommen hat derzeit eher symbolische Wirkung: Es demonstriert, dass eine Einigung auf europäischer Ebene möglich ist. Die praktische Wirkung des Gesetzes ist allerdings begrenzt: Bei der Einreise an der deutsch-österreichischen Grenze sind nach Angaben des Innenministeriums seit Mitte Juni rund 150 Personen eingereist, die in einem anderen EU-Land Asyl beantragt hatten. Demnach entfiel rund die Hälfte davon auf Italien und ein Fünftel auf Österreich. Aus Spanien sei kein einziger dabei gewesen.
Offen ist, ob es auch ein Abkommen mit Italien geben wird. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind die Verhandlungen mit Italien "sehr weit fortgeschritten". Man gehe davon aus, "dass der Vertrag auch zustande kommen wird".
Rom klagt über hohe Belastungen
Allerdings dürfte Italien erheblich entschiedenere und umfassendere Forderungen stellen als Griechenland und Spanien. Ende vergangenen Jahres lebten rund 355.000 Schutzberechtigte und Asylbewerber in Italien. Zudem kamen in diesem Jahr Angaben des Statistik-Portals "Statista" zufolge knapp 19.000 Menschen über den Seeweg nach Italien. Die aktuelle italienische Regierung klagt über hohe Belastungen.
Besonders schwierig ist die Situation in den italienischen Großstädten, allen voran Rom und Mailand. Allein in der Hauptstadt leben mehr als 6.000 Flüchtlinge. Oft finden sie Unterkunft in improvisierten Lagern oder verlassenen Gebäuden. Dazu zählt etwa der sogenannte Palast Salam, ein nicht mehr in Gebrauch befindliches Universitätsgebäude. Dort leben derzeit über 800 Personen.
Salvini gegen Aufnahme weiterer Flüchtlinge
Der neue italienische Innenminister Matteo Salvini wendet sich in aller Entschiedenheit gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. Das Angebot der EU, 6000 Euro für jeden Migranten zu zahlen, den ein Mitgliedsland freiwillig aufnimmt, lehnte er Ende Juli ab. "Das geht gar nicht", sagte er. "Die Almosen kann Brüssel behalten." Italien wolle, dass die Ankunft von Migranten ganz gestoppt wird. Premier Giuseppe Conte reagierte ebenfalls negativ. Italien habe aus der Forderung nach der Verteilung von Migranten in Europa nie eine Geldfrage gemacht, sagte er. Entsprechend schwierig dürften sich die Verhandlungen gestalten. Details sind bislang nicht bekannt.
Allerdings leben in anderen Ländern erheblich mehr Schutzberechtigte und Asylbewerber. Die meisten hat nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) Deutschland aufgenommen - nämlich mehr als 1,4 Millionen Menschen. An zweiter Stelle steht Frankreich mit 400.000 Personen. Italien kommt erst an dritter Stelle. Abgelehnte Asylbewerber sind in diesen Zahlen nicht enthalten.
Maas fordert europäische Solidarität
Indes forderte Außenminister Heiko Maas Anfang August in der Flüchtlingspolitik mehr Unterstützung für die Länder Südeuropas. "Wir können nicht so tun, als seien Menschen, die aus dem Mittelmeer gerettet werden, spanische und italienische Flüchtlinge", sagte der SPD-Politiker in einem Mediengespräch. Das werde dauerhaft nicht funktionieren. "Wir brauchen eine europäische Lösung und Solidarität. Die Migrationsfrage darf nicht zum Spaltpilz der Europäischen Union werden."
Allerdings ergebe es wenig Sinn, alle EU-Partner zur gleichen Verantwortung zu drängen, wenn es zu einer Frage substanziell unterschiedliche Auffassung gebe. "Ein Großteil der europäischen Staaten wird zu einem gemeinsamen Konzept bereit sein", so Maas. "Diejenigen, die sich weigern, werden an anderer Stelle mehr Verantwortung übernehmen müssen, etwa finanziell bei der Bekämpfung von Fluchtursachen oder bei anderen Themen der EU."