Raffael-Jubiläum: Erlauchtes Madonnen-Treffen in Berlin
12. Dezember 2019Ob in Washington, London, Paris oder Rom – weltweit rollen die Museen Raffael (29.3 oder 6.4.1483 – 6.4.1520) im kommenden Jahr den roten Teppich aus. Sie würdigen den italienischen Maler, Zeichner, Architekten, Archäologen und Dichter auf jeweils unterschiedliche Weise. In seinem 500. Todesjahr sind Raffaels Werke – jedenfalls die Gemälde und Zeichnungen - rund um den Globus verstreut. Auch Berlin, wo die Staatlichen Museen nun den Jubelreigen eröffnen, verfügt über ansehnliche Schätze: Die Gemäldegalerie versammelt jetzt frühe Madonnen Raffaels zum Tête à Tête.
Klein aber fein mutet die Kabinettausstellung an. Zu ihren fünf Madonnen aus eigenem Bestand hat Gastkuratorin Alexandra Enzensberger noch einen echten Star gesellt: Aus der National Gallery in London reiste die "Madonna mit den Nelken" an, die für die Berliner Schau erstmals seit dem Erwerb die britische Insel verlassen durfte. Alle sechs hängen nun vereint an der violett getünchten Wand des Ausstellungssaales. "Mit den Madonnen zeigen wir das Frühwerk Raffaels", freut sich Kuratorin Alexandra Enzensberger, und fügt hinzu: "Man könnte meinen, die preußischen Könige waren besessen vom jungen Raffael."
Bestürzende Innigkeit
Tatsächlich wurden alle fünf Berliner Madonnen zwischen 1821 bis 1854 erworben. In dieser Zeit der Gründung des Berliner Museums war der junge Raffael besonders begehrt. Auch die "Madonna mit den Nelken" war für Berlin im Gespräch, doch galt ein Ankauf als zu teuer. So blieb die "Madonna Terranuova" mit 37.500 Talern Berlins teuerste Erwerbung der damaligen Zeit.
Als kleinstes Gemälde ziert sie nun die Berliner Ausstellung. Eingerahmt von Johannes dem Täufer und einem Heiligen Knaben leuchtet sie an der Seitenwand. Die Darstellungen Raffaels strotzen vor Lebendigkeit. Wenn sich die Blicke von Mutter und Kind begegnen, drückt das eine große Innigkeit aus. Der Maler hat seine Figuren, wie so oft, in eine harmonische und ausgewogene Komposition eingebettet.
Auch Raffael fing klein an
Doch auch das zeigt die Berliner Schau: Selbst ein später Superstar der Hochrenaissance wie Raffael ist nicht vom Himmel gefallen. "Auch Raffael hat klein angefangen", sagt Enzensberger. Das Künstlerhandwerk lernte er bei seinem Lehrer Perugino (1445-1523), dem wichtigsten Meister der Umbrischen Schule. Erst nach und nach löste Raffael sich von Perugino und zog von Urbino über Florenz nach Rom, wo er zum Hofmaler der Päpste aufstieg. Für Michael Eissenhauer, den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, erlaubt das Madonnentreffen in der Gemäldegalerie denn auch einen "ganz fokussierten und extrem konzentrierten" Blick auf den Künstler Raffael.
Rund 500 Jahre nach seinem Tod gehört Raffaello Sanzio da Urbino zu den Größten der europäischen Kunstgeschichte. Gemeinsam mit Leonardo da Vinci (1452–1519) und Michelangelo Buonarroti (1475–1564) bildet er das Dreigestirn der mittelitalienischen Hochrenaissance. 1483 in Urbino als Sohn eines Hofmalers geboren, verlor Raffael schon in jungen Jahren beide Eltern und wurde von einem Onkel erzogen. Spätestens mit 17 war sein Talent nicht mehr zu übersehen: Von 1500 an bis zu seiner Berufung nach Rom arbeitete er vor allem für wohlhabende Patrizierfamilien und schuf religiöse Andachtsbilder, Altäre und erste Porträts.
Bis 1504 zeichnete und malte er im umbrischen Stil, dann übersiedelte er nach Florenz, um sich an Leonardo da Vinci und Michelangelo zu schulen. Während der vier Jahre in Florenz und Perugia erarbeitete er sich einen Ruf als Porträtist, Maler von Altarbildern und vor allem von Madonnen, die er in unzähligen Varianten sein Leben lang auf Holz, Leinwand oder Gips malte. In Florenz fand er in den Madonnenbildern seinen eigenen Stil.
Raffael in Rom
Ende 1508 wurde Raffael von Papst Julius II. nach Rom berufen, um sich an der Ausmalung der päpstlichen Wohnräume zu beteiligen. Begeistert von Raffaels Darstellung der "Disputa" in der Stanza della Segnatura, übertrug ihm Julius II. die Verantwortung für die Ausstattung ganzer Räume. Nach dem Tod des Pontifex im Jahr 1513 ließ der Medici-Papst Leo X. die Kampagne weiterführen. Zwölf Jahre lang prägte Raffael die Kunstproduktion am päpstlichen Hof in Rom.
Nach der Rückkehr Michelangelos nach Florenz 1516, fiel Raffael die unangefochtene Führungsrolle unter den Malern, Architekten und Denkmalschützern in der Ewigen Stadt zu. So entstanden weitere Meisterwerke Raffaels, die bis heute seinen Ruf begründen. Daneben porträtierte er Freunde und reiche Auftraggeber, schuf Altarbilder und entwarf die berühmten Tapisserien für die Sixtinische Kapelle.
Tod mit 37 Jahren
Raffael starb recht jung, nämlich am 6. April 1520 im Alter von 37 Jahren, über die Ursache spekulieren die Gelehrten. Noch am gleichen Tag aber begann die mythische Überhöhung des Künstlers. Über Jahrhunderte hinweg stand Raffael mit seiner Kunst vorbildhaft für Generationen von Kunstschaffenden.
Raffaels Madonnen nun, die vom 13. Dezember 2019 bis 26. April 2020 zu sehen sind, eröffnen einen Reigen von drei Raffael-Ausstellungen in der deutschen Hauptstadt. Im Januar folgt dann ein Zyklus zum Leben Raffaels mit Radierungen von Johannes Riepenhausen (1787-1860) in der Gemäldegalerie. Von Februar an werden dann Meisterwerke Raffaels im Kupferstichkabinett präsentiert. Die National Gallery in London plant ihre Raffael-Ausstellung im Herbst kommenden Jahres. Die Kunst Raffaels sei auch heute noch wichtig, glaubt Kuratorin Alexandra Enzensberger: "Raffael ist fast zu harmonisch, fast zu schön", sagt die Kunsthistorikerin, "aber vielleicht kommt jetzt eine Zeit, wo wir uns gerade danach wieder sehnen!"
Die Ausstellung "Raffael in Berlin - Die Madonnen der Gemäldegalerie" findet von 13.12.2019 bis 26.04.2020 in der Gemäldegalerie in Berlin statt.